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nur auf eine Gelegenheit, ihn mit einem Schein von Berechtigung erklären
zu können. Diese gesuchte Gelegenheit sollte sich bald genug finden. Die
Spanier hatten 1868 ihre Königin Jsabella vertrieben und eine Republik
eingerichtet. Das Volk hing aber an der Monarchie, und man entschloß
sich, dem Prinzen Leopold von Hohenzollern - Sigmaringen die spanische
Krone anzubieten. Kaum wurde dieser Plan in Frankreich bekannt, als
sich ein Sturm des Unwillens erhob. Ein Hohenzoller aus dem spanischen
Throne! Das konnte man nicht zugeben. Die französische Regierung ließ
deshalb durch den Botschafter Benedetti an den König von Preußen das
Verlangen stellen, daß er dem Prinzen Leopold befehle, Verzicht zu leisten.
Der König erklärte, er habe dem Prinzen nichts zu befehlen. Als Prinz
Leopold sah, daß wegen feiner Person zwischen zwei großen Völkern ein
Krieg entbrennen könne, trat er zurück. So war der Streitpunkt erledigt.
Frankreich konnte zufrieden fein. Aber die leidenschaftlich erregten Franzosen
wollten den Triumph genießen, daß König Wilhelm sich vor ihnen demütigte.
Deshalb mußte Benedetti abermals an den König das Verlangen stellen,
er solle das Versprechen abgeben, daß - er dem Prinzen Leopold für die
Zukunft die Annahme der spanischen Krone verbiete. Das lehnte König
Wilhelm höflich und bestimmt ab. Nun geriet Paris in blinde Wut.
„Frankreich ist beleidigt worden", hieß es; „der König von Preußen will
Den Krieg haben; er soll ihn haben". Am 19. Juli erfolgte die Kriegs¬
erklärung. „In drei Wochen sind wir in Berlin", rief gallischer Übermut.
Es sollte freilich anders kommen.
Deutschlands Erhebung. Das deutsche Volk fuhr auch zornvoll
auf. Es fühlte die Schmach, die seinem Fürsten angethan war, tief und
ernst. König Wilhelm reiste von Ems nach Berlin. Sein Zug durch die
Lande war ein Triumphzug. Aber man ging nicht in den Kamps mit
ausgelassenem Jubel, nicht wie zum Tanz, sondern mit der Bitte zu Gott:
„Herr, gieb uns den Sieg, laß den Stolz unterliegen". Man ging mit
der Absicht zu siegen und zu sterben für König und Vaterland. Napoleon
hatte feine Hoffnung auf den alten Zwiespalt der Deutschen gesetzt und
geglaubt, die Süddeutschen auf seine Seite hinüberzuziehen. Da sollte er
grausam enttäuscht werden. 1866 war vergessen. „Auf gegen den Erb¬
feind", so hieß es nördlich und südlich des Mains. Eine tiefgehende Be¬
geisterung ergriff alle Stände. Pensionierte Offiziere, Männer die längst
aus dem Dienstverbande entlassen, junge Leute, die noch nicht dienstpflichtig
waren, der deutsche Unterthan in weiter Ferne, sie alle eilten herbei:
„Lieb' Vaterland, magst ruhig sein!
Fest steht und treu die Wacht am Rhein."
Edle Frauen und Jungfrauen, Diakonissinnen und barmherzige
Schwestern meldeten sich bereitwillig zur Krankenpflege. Wer zu Haufe
blieb, sammelte Gaben, lieferte Unterzeug und Wundverbandstoffe. Auf
Schritt und Tritt war der Soldat von Liebe Umgeben.
Anfänge des Krieges. Mit unglaublicher Schnelligkeit waren in
Deutschland die Kriegsvorbereitungen getroffen. Innerhalb 14 Tagen
standen 400000 Mann an der Grenze. Es wurden drei Armeeen gebildet: