II. Teil ~ Übergang zum Zeitalter der HB,
persönlichen Selbstherrlichkeit und des
vorherrschenden Fühlens und Wollens. ° ®'
Etwa 1720 bis 1750.
1 / Philosophie, Weltanschauung, Wissenschaft,
Erziehung.
Gottfried Wilhelm Leibniz ^„Neue Abhandlungen D A.
über den menschlichen Verstand"), 19, 18"'
Vom Irrtum.
Philalethes : Das letzte falsche Wahrscheinlichkeitsmaß, an
das ich zu erinnern die Absicht habe, ist die falsch ver-
standene Autorität^), welche mehr Menschen in der Un¬
wissenheit und im Irrtum hält, als alle die übrigen zusammen.
Wieviel Leute sieht man, die für ihre Ansicht keinen anderen
Grund haben, als die unter ihren Freunden und unter ihren
Standes- oder Partei- oder Landesgenossen angenommenen
Meinungen! Irgend eine Meinung ist von dem ehrwürdigen
Altertum gebilligt gewesen, sie kommt mir unter dem Freibrief
der früheren Jahrhunderte zu; andere geben sich ihr hin, darum
bin ich vor dem Irrwm geschützt, wenn ich sie annehme. Es
wäre ebenso begründet, das Los zu werfen, um seine Meinungen
zu fassen, als auf solche Regeln hin sie zu wählen. Außer-
dem, daß alle Menschen dem Irrwm unterworfen sind, würden
wir, glaube ich, wenn wir die geheimen Triebfedern sehen
könnten, welche die Gelehrten und Parteihäupter in Bewegung
setzen, oft etwas ganz anderes finden, als die reine Liebe zur
Wahrheit. Es gibt wenigstens sicherlich keine so abgeschmackte
1) = Freund der Wahrheit.
2) Ansehen, Macht, Geltung, Berühmtheit.