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Fünftes Kapitel.
Freilich war der Zustand der italischen Landschaften sehr ungleich
und zum Teil sogar gut. Die bei der Kolonisation des Gebietes
zwischen den Apenninen und dem Po in grofser Anzahl daselbst
gegründeten Bauernstellen verschwanden nicht so schnell. Poly¬
bios, der nicht lange nach dem Ende dieser Periode die Gegend
bereiste, rühmt ihre zahlreiche, schöne und kräftige Bevölkerung;
bei einer richtigen Korngesetzgebung wäre es wohl möglich ge¬
wesen nicht Sizilien, sondern die Polandschaft zur Kornkammer
der Hauptstadt zu machen. Ähnlich hatte Picenum und der so¬
genannte „gallische Acker“ durch die Aufteilungen des Domanial-
232 landes in Gemäfsheit des flaminischen Gesetzes 522 eine zahlreiche
Bauerschaft erhalten, welche freilich im hannibalischen Krieg arg
mitgenommen ward. In Etrurien und wohl auch in Umbrien
waren die inneren Verhältnisse der unterthänigen Gemeinden dem
Gedeihen eines freien Bauernstandes ungünstig. Besser stand es
in Latium, dem die Vorteile des hauptstädtischen Marktes doch
nicht ganz entzogen werden konnten und das der hannibalische
Krieg im ganzen verschont hatte, sowie in den abgeschlossenen
Bergthälern der Marser und Sabeller. Süditalien dagegen hatte
der hannibalische Krieg furchtbar heimgesucht und aufser einer
Menge kleinerer Ortschaften die beiden gröfsten Städte, Capua
und Tarent, beide einst imstande Heere von 30 000 Mann ins
Feld zu stellen, zu Grunde gerichtet. Samnium hatte von den
schweren Kriegen des fünften Jahrhunderts sich wieder erholt;
225 nach der Zählung von 529 war es imstande halb so viel Waffen¬
fähige zu stellen als die sämtlichen latinischen Städte und wahr¬
scheinlich damals nach dem römischen Bürgerdistrikt die blühendste
Landschaft der Halbinsel. Allein der hannibalische Krieg hatte
das Land aufs neue verödet und die Ackeranweisungen daselbst
an die Soldaten des scipionischen Heeres, obwohl bedeutend,
deckten doch wahrscheinlich nicht den Verlust. Noch übler waren
in demselben Kriege Campanien und Apulien, beides bis dahin
wohl bevölkei’te Landschaften, von Freund und Feiud zugerichtet
worden. In Apulien fanden später zwar Ackeranweisungen statt,
allein die hier angelegten Kolonien wollten nicht gedeihen. Be¬
völkerter blieb die schöne campanische Ebene; doch ward die
Mark von Capua und der anderen im hannibalischen Kriege auf¬
gelösten Gemeinden Staatsbesitz und waren die Inhaber derselben
durchgängig nicht Eigentümer, sondern kleine Zeitpächter. End¬
lich in dem weiten lucanischen und brettischen Gebiet ward die
schon vor dem hannibalischen Krieg sehr dünne Bevölkerung von
der ganzen Schwere des Krieges selbst und der daran sich
reihenden Strafexekutionen getroffen; und auch von Rom aus ge¬
schah nicht viel, um hier den Ackerbau wieder in die Höhe zu