Die französische Revolution.
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Ausschüsse befand. Der Oberbefehlshaber Santerre sagte dem
Gemeinderate, er habe Befehle gegeben, allein man gehorche ihm
nicht, und überdies seien beinahe alle seine Leute zur Bewachung
der Thore verwendet. So viel ist gewifs, dafs widersprechende
und unbekannte Befehle gegeben wurden, und alle Anzeichen einer
geheimen der öffentlichen Gewalt widersprechenden Macht vor¬
handen waren. Im Hofe der Abtei war ein Posten der National¬
garde, der den Befehl hatte, herein-, aber nicht hinauszulassen.
An anderen Orten warteten die Posten auf Befehle, die sie nicht
erhielten. Hatte Santerre den Kopf verloren wie am 10. August
oder war er mit in der Verschwörung? Während öffentlich von
dem Gemeinderat abgeschickte Abgeordnete dem Volke Ruhe
empfahlen und sich bemühten es aufzuhalten, kamen andere Ab¬
geordnete desselben Gemeinderats in den Ausschufs der Sektion
des Quatre-nations und fragten: „Nun, geht es hier so gut als
bei den Karmelitern? Der Gemeinderat schickt uns, um Euch
Hilfe anzubieten, wenn Ihr derselben bedürfen solltet.“
Die von der Nationalversammlung und dem Gemeinderat ab-
gesandten Kommissäre hatten der Metzelei kein Ende machen
können; sie fanden eine unermefsliche Menge, welche das Gefäng¬
nis umgab und dem gräfslichen Schauspiele unter dem Rufe: „Es
lebe die Nation!“ anwohnte. Der alte Dusaulx stieg auf einen
Stuhl und versuchte das Wort Gnade auszusprechen, allein konnte
sich nicht verständlich machen. Bazire stellte sich, als gehe er
in die Gesinnungen des Pöbels ein, allein sobald er die Gefühle
des Erbarmens erregen wollte, hörte man nicht mehr auf ihn.
Der Gemeinde-Anwalt Manuel hatte sich durch Mitleid bewegen
lassen, sich den gröfsten Gefahren auszusetzen, ohne ein einziges
der Opfer retten zu können. Auf diese Nachricht hin liefs sich
der Gemeinderat etwas mehr erweichen als anfänglich und schickte
eine zweite Abordnung ab, um das Volk zu beruhigen und es
über seinen wahren Vorteil aufzuklären. Diese Abordnung konnte
ebenso wenig ausrichten und konnte mit Mühe nur einige Frauen
und Schuldner in Freiheit setzen.
Das Morden dauerte die ganze gräfsliche Nacht hindurch.
Die Mörder sind bald Richter, bald Henker, bald am Tische, bald
im Hofe. Zu gleicher Zeit trinken sie aus Gläsern, die mit Blut
bedeckt sind. Doch schenken sie mitten in diesem Gemetzel einigen
Gefangenen das Leben und zeigen dabei eine unbegreifliche Freude.
Ein junger Mensch wird von seiner Sektion verlangt, als der
Aristokratie unschuldig unter dem Rufe: „Es lebe die Nation!“
freigesprochen und auf den bluttriefenden Armen der Mörder im
Triumph weggetragen. Der ehrwürdige Sombreuil, Gouverneur
der Invaliden, wird vorgeführt und zur Force verurteilt. Seine
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