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Die Wendung des neuen Seelenlebens zu einem intellek¬
tuellen Verständnis seiner Grundlagen, oder vielleicht rich¬
tiger gesagt zu einer geordneten und lehrmätzig durchdachten
Übersicht seiner Haupterscheinungen gewährte auch dem Strom
der großen sittlichen Empfindungen, der kosmopolitischen wie
der vaterländischen, ein breiteres Bett. Dabei traten, dem
steigenden Sinne für das Konkrete entsprechend, die inter¬
nationalen Motive immer mehr zurück und die nationalen
immer mehr hervor: die Bewegung auf innere Anteilnahme
am Staat (Liberalismus) und auf völkische Einheit (Natio¬
nalismus) begann alles "zu beherrschen. Man Tenns ihre
"'Beschichte. " Es ist nicht die Absicht, sie hier zu erzählen.
Nur zwei Bemerkungen seien gestattet. Man ersieht aus
der bisherigen Darstellung, wie eng Liberalismus und Natio¬
nalismus zusammenhingen: der Liberalismus bringt die
persönlichen, der Nationalismus die völkischen Ideale des
neuen Menschen nach 1750 zum Ausdruck. Und weiter:
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die deutschen Revolutionen des 19. Jahrhunderts sind wohl
^ bie unblutigsten, die sich jemals zugetragen haben. Was
kämpfte und zu siegen schien, war letzten Grundes die Macht
der öffentlichen Meinung: erwies sich diese Macht doch stark
genug, allein die Berufung des Frankfurter Parlamentes
durchzusetzen. 3n der Tat, es war eine Revolution viel¬
leicht nur zu sehr allein des Volkes der Dichter und
Denker.,
Dem entsprach das Ergebnis. In dem Augenblicke, da
sich das Machtbewutztsein der Einzelstaaten dieser liebens¬
würdigsten aller Revolutionen entgegensetzte, war die Ver¬
wirklichung ihrer Ideale ausgeschaltet. Aber auch die Ideale
selbst? „Ein Geist lebt in uns allen, und unsre Burg ist
Gott" hatten schon früh die studentischen Märtyrer der Be¬
wegung gesungen. Der Gedanke ist mächtiger als das
Schwert; und die Reichsverfassung von 1871 hat die Der-