Btlnrarcks Ziele in der inneren Politik. Der nationale Gedanke. 147
sammenzustehen gegenüber allen auswärtigen Gefahren, aber auch ihre
monarchischen Rechte, so weit wie sie verfassungsmäßig bestehen, nicht
untergraben zu lassen. Wir haben feste Verbindung mit den außerhalb
des Deutschen Reiches belegenen großen Monarchien, welche gleiche Inter¬
essen mit uns vertreten, erhaltende, friedliebende. Ich glaube auch, daß
diese Verbindungen dauernde sein werden, und daß die Verhältnisse, wie
sie einst erstrebt wurden, ohne vielleicht einen festen Glauben an ihre Ver¬
wirklichung zu haben, im Jahre 1848 und später, sich befestigen und immer
schärfer ausprägen und immer deutlicher gestalten werden, und daß in der Mitte
von Europa eine große, feste, erhaltende Gewalt sein wird, und ich habe zu den
deutschen Dynastien das Zutrauen, daß sie den nationalen Gedanken stets hoch¬
halten werden, daß sie ihrerseits die politische und militärische Einheit des
Reiches unverbrüchlich bewahren und jeder Versuchung Fremder widerstehen
werden und uns dann vielleicht auch über die Gefahren und Krisen hinweghelfen
werden, denen das Reich ausgesetzt sein könnte, wenn seine parlamen¬
tarische Gestaltung und wenn die Tätigkeit hier im Reichstage vielleicht
vorübergehend an dem Marasmus der Fraktionskrankheit leiden sollte —
in einer bedenklichen Weise leiden sollte. Dann, meine Herren, habe ich
das Vertrauen zu der Zukunft unserer Einigkeit. Diese Einigkeit ist die
Vorbedingung unserer nationalen Unabhängigkeit. Deshalb hüten Sie
sich vor der Zerfahrenheit, der unser deutsches Parteileben bei der un¬
glücklichen Zanksucht der Deutschen und der Furcht vor der öffentlichen
Meinung, bei der byzantinischen Dienerei der Popularität, wie sie bei uns
eingerissen, ausgesetzt ist.
Meine Herren, ich werde nicht oft mehr zu Ihnen sprechen können, ich
bin matt, ich habe keine Lust und keine Kraft dazu und auch kein Interesse,
aber ich möchte nicht von der Bühne abtreten, ohne Ihnen dies ans Herz
zu legen: Seien Sie einig und lassen Sie den nationalen Gedanken vor
Europa leuchten; er ist augenblicklich in der Verfinsterung begriffen.
c) Aus Bismarcks Reichstagsrede vom 13. März 1885:
Völkerfrühling und Parteigetst.
Ich habe unter dem Frühling, der uns Deutschen geblüht hat, die
ganze Zeit verstanden, in der sich, ich kann wohl sagen, Gottes Segen
über Deutschlands Politik seit 1866 ausgeschüttet hat, eine Periode, die
begann mit einem bedauerlichen Bürgerkriege, der zur Lösung eines ver-
schürzten gordischen Knotens unabweisbar und unentbehrlich war, der
überstanden wurde und zwar ohne die Nachwehen, die man davon zu befürchten
hatte. Die Begeisterung für den nationalen Gedanken war im Süden
wie im Norden so groß, daß die Überzeugung, daß diese, — ich möchte
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