Object: Handbuch für den Geschichtsunterricht in preußischen Volksschulen

132 Sechster Abschnitt. Von dem Auftreten Luther's bis zur Beendigung rc. 
3. 1505 geht Luther in das Kloster und wird 1508 Magister an der Universität 
Wittenberg. 
§ 29 Anfang und Verlauf des Reformationswerkes bis zum 
Reichstag in Worms. 
A. Erzählung, 
a) Vorbereitung. 
Im Jahre 1517 wurde Luther's Name auf einmal weit und breit im 
deutschen Lande genannt. Wer hatte so lange etwas gewußt von dem stillen 
Mönch in Wittenberg, und nun ging sein Name von Mund zu Mund! 
Überall saßen die Leute über einem gedruckten Bogen mit 95 Lehrsätzen, die 
Luther am 31. Oktober 1517 an die Thür der Schloßkirche geheftet hatte. 
Sie waren ursprünglich in lateinischer Sprache verfaßt und betrafen nach 
Luther's Meinung eine Sache des Gelehrtenstreites; aber bald waren sie ver¬ 
deutscht, und nun staunte Luther selbst, als er sah, welche große Bewegung 
er unter den Leuten angerichtet hatte. Was gab denn diesen 95 Sätzen oder 
Thesen diese Wirkung? Warum sind sie so wichtig, daß man den Augenblick, 
in welchem Luther eben mit dem Hammer in der Hand von dem an die 
Wittenberger Kirchenthür angehefteten Bogen hinwegtritt, und die ersten Leser 
sich um denselben drängen, aus dem Luther-Denkmal in Worms sogar in Erz 
abgebildet hat? Diese Fragen wollen wir uns jetzt beantworten. 
b) Der Ablatzkrämer Tetzel. 
Im Jahre 1517 machte Luther als Priester ganz merkwürdige Erfah¬ 
rungen bei den Leuten, die zu ihm zur Beichte kamen. Wenn er ihnen näm¬ 
lich als redlicher Seelsorger ins Gewissen redete, so fanden sich etliche, die 
kühn antworteten, sie brauchten sich weiter vor der Hölle, dem Fegfener und 
Gottes Strafen nicht zu fürchten, sie hätten sich ja Ablaß gekauft und darum 
Vergebung für ihre Sünden. Über solche gotteslästerliche Reden erschrak 
Luther und fing an, der Sache nachzuforschen. — Zu jener Zeit war Papst 
in Rom Leo X., ein feiner, kunstliebender und prachtliebender Herr, der großes 
Gefallen an schönen Gemälden und Bildsäulen, aber wenig Sinn für Religion 
und Kirche hatte. Er wollte gern den Bau der Peterskirche vollenden und 
sie zum herrlichsten Gotteshause in der ganzen Christenheit machen. Dazu 
brauchte er aber viel Geld, und um dieses zusammen zu bringen, schrieb er 
einen Ablaß aus, den der Erzbischof von Mainz im deutschen Lande ver¬ 
breiten sollte. Selbstverständlich bekam auch dieser seinen Teil von dem Gelde. 
Er übertrug den Ablaßhandel dem Dominikanermönch Johann Tetzel, der sich 
für dieses Geschäft sehr gut eignete und natürlich für seine Mühe auch gut 
belohnt wurde. Er begann nun einen schmählichen Handel mit seinen Abla߬ 
zetteln. Wenn er sich einer Stadt näherte, so wurde er meist feierlich em¬ 
pfangen und eingeholt. Mit Gesang und Glockengeläute, Fahnen und Kerzen 
zogen ihm Priester, Mönche, der Magistrat der Stadt, Lehrer und Schüler 
und eine große Menge Volkes entgegen. Unter vollem Orgelklang geleitete 
man ihn in die Kirche. Inmitten des Gotteshauses, vor dem Altar, wurde 
ein großes rotes Kreuz aufgepflanzt, daran hängte man eine seidene Fahne,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.