Full text: [H. 3, Teil 1] (H. 3, Teil 1)

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traten ihr in die Augen. Als das der Königsknabe bemerkte, sprach 
23 er: „weine nicht, Judith, laß mich nur erst die Schwertleite empfangen 
haben, dann geleite ich dich mit vielen taufend eifengeroappneten 
Rittern in dein Ungarland zurück und euer ©heim, der euch beide 
vertrieben, soll im finstern Kerker zu Tribur schmachten; nimmer soll 
er herauskommen.“ Da lächelte das Schwesterlein ein wenig. 
Mittlerweile hatte der Königsknabe scharfen Auges von Köln 
14 her mehrere Schiffe erblickt, die immer näher kamen. Auch die 
Kaiserin hatte sich unterdessen herzubegeben, viel hundert Schwerter 
blitzten plötzlich vom Deck der Schiffe her: das war der Schwertgruß, 
den die Schiffer der Herrin boten. Gnädig verneigte sich die Kaiserin, 
der Königsknabe klatschte in die Hände. Lin Mann aus dem Gefolge, 
dem viele Länder bekannt waren, wurde sogleich herbeigerufen, 
wer wohl die Schiffer wären. „Der Herren Fahrzeug ist so prächtig/' 
sprach dieser, „daß ich meine, es könnte keines andern sein als des 
stolzen Erzbischofs von Köln." Etwas abseits sich wendend aber 
6—13 murmelte er in seinen Bart: „Beim Teufel, was mögen die im Schilde 
führen; wär' ich der Burgherr, traun, vor ihren Nasen ließe ich die 
Brucken aufziehen." Doch die Königsfamilie harrte arglos der An¬ 
kunft der Schiffsinsassen. 
Diese aber waren unterdessen ans Land gestiegen und hatten 
10 sich zur Burg begeben. Die Dienftmannen waren in der Vorburg 
untergebracht worden, der Erzbischof von Köln aber im reichen 
Priestergewand hatte sofort Zutritt zur Kaiserin bekommen; jetzt 
stand er vor ihr und beugte schier steif feinen Nacken vor der edlen 
Frau, desgleichen auch der eisengewappnete Bayernherzog (Dtto 
von Nordheim und der Markgraf Ekbert von Meißen. Die hochedlen 
Herrschaften setzten sich zu Tische und die Männer taten sich gütlich 
am herrlichen Rheinwein. Von den erzbischöflichen Dienstmannen 
aber schlich sich unterdessen einer nach dem andern zu den Schiffen, 
die im Rhein lagen und verbargen sich in den unteren Räumen. 
Der Erzbischof jedoch unterhielt sich gar freundlich mit dem Königs¬ 
knaben. Zuletzt sprach er: „Eigens zu Eurem Gefallen, junger Herr, 
ließ ich ein Schiff zimmern so herrlich, wie der Rhein noch keines trug. 
lVollt Ihr es Euch nicht einmal besehen?" Darauf erwiderte der 
Königsknabe: „Gern folge ich Eurer Einladung, aber mein Schwester¬ 
lein muß auch mit und meine Mutter erst recht." Der Erzbischof 
aber wehrte freundlich und sprach: „Die Kunkel ist nichts für Männer, 
die Schiffe nichts für Frauen; wenn es Euch recht ist, wollen wir 
allein gehen." „Meinetwegen auch so," sprach Heinrich, „aber vom 
Söller aus müssen sie uns nachsehen." 
Schon eilte er zu den Schiffen, während die Fürsten in einiger 
Entfernung folgten. Als sie nun herzugekommen waren, sprach der
	        
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