Full text: Im späten Mittelalter (H. 4)

Strenges Regiment. *35 
Brotsack und Wassergefäß, mit einer passenden Erklärung, hierauf 
setzte sich der Zug wieder in Bewegung und geleitete den Aus¬ 
sätzigen bis zum Siechenhause vor der Stadt. Mit den Worten des 
*32. Psalms: „Hier ist meine Ruhe für immer, hier will ich wohnen, 
denn es gefällt mir wohl," wurde er vom Pfarrer in das Haus ge¬ 
führt, indem er ihm verbot, sich an öffentlichen Orten zu zeigen 
und ihn liebreich zur Geduld ermahnte. Hinter ihm fiel die Türe 
zu. Nun kehrte die Gemeinde in die Pfarrkirche zurück und die 
Feier schloß mit dem Gebete: „Allmächtiger Gott, der du durch das 
geduldige Leiden deines Sohnes den Hochmut des alten Feindes 
gebrochen hast, verleihe deinem Diener die göttliche Geduld, um 
mit frommer Ergebung das Übel zu tragen, das auf ihm lastet. 
Amen." 
Der Aussätzige war nun mundtot und durfte mit der übrigen 
Welt in keine Berührung kommen. Eine besondere Tracht machte 
ihn kenntlich. Mit einer Klapper mußte er den ihm begegnenden 
Leuten ein Warnungszeichen geben; er durfte nichts mit den Händen 
berühren, aus keinem öffentlichen Brunnen trinken und war einzig 
und allein auf den Umgang seiner Schicksalsgenossen angewiesen. 
Ein schreckliches Los für einen gebildeten feinfühlenden Menschen! 
Denn im Leprosenhaus hörte jeder Standesunterschied auf. _ ©ft 
genug fiel der Aussätzige der Verzweiflung oder dem sittlichen 
Leichtsinn anheim, je nach dem Temperament Später trat 
Stumpfsinn und völlige Apathie ein1). 
Strenges Regiment. 
Anno *58* den 28. April hat ein Arbeitsmann öffentlich auf 
dem Platz gegenüber dem Portal am Hathaufe auf feinen Knien 
gesessen, und Bürgermeister und Hat haben obenauf gestanden, 
und man hat ihm einen widerruf von oben vorgerufen, und den 
hat er müssen nachsprechen. Dieser Mann hat bei Andernach in 
einem Wirtshaus gesessen und gesagt, die sechs Bürgermeister zu 
Köln seien alle Schelme und Diebe. Das hat ein anderer von Köln 
gehört und ihn verklagt; deshalb kam er zu Turm zu sitzen, schier 
ein Vierteljahr im kalten Winter, und als er es leugnete und nicht 
bekennen wollte, schickte man dahin, ließ gerichtliche Kundschaft 
bringen, und er mußte deshalb den Fußfall und widerruf tun. 
*) Boos t9? —H99.
	        
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