(Ein Abend bei peter Vischer.
zierten. )n allen Gassen war großer Zulauf und Gedränge von
Manns- und Weibsleuten, don jung und alt, von groß und klein.
Jedermann wollte die große lange wurst sehen, wie denn in Wahr¬
heit diese Wurst als von jungen Leuten erdacht und gemacht „wohl
zu sehen gewest". Noch am Aschermittwochsabend wurde sie zer¬
schnitten und den Herren Eltern — dem obersten (geheimen) Rat
der Stadt1) — und anderen Herren des Rates, auch Freunden
und Bekannten einige Ellen verehrt, die übrigen Trümmer aber
beim Tanz, den die Metzger im Wirtshaus zur blauen Flasche am
Kohlenmarkt hielten, in Fröhlichkeit miteinander verzehrt und damit
gute Fastnacht gehalten. Auch eine Reihe anderer Städte, wie
Königsberg, Zittau, Wien, übte die Sitte des Wursttragens2).
(£tn Abend bei peter Pischer. Selten kam ein
Fürst oder potentat nach Nürnberg, der nicht den berühmten Erz-
gießer peter vischer aufgesucht hätte3). So ließ sich denn auch einst
am Abend des Sebaldusfestes4) ein fremder Kaufmann von einem
Nürnberger Büblein zu dem kunstreichen Rotschmied führen. Die
kleine Wohnung des Künstlers war bald erreicht. Die Türe war
offen und so trat der fremde Herr in den kleinen, dunklen Haus¬
flur. Nichts regte sich im Hause. Als sich die Augen des Fremden
an die Dunkelheit gewöhnt hatten, bemerkte er eine eichene Stuben¬
tür mit Nessingbeschlägen. Da der Schlüssel steckte, mußte doch
jemand zu Hause sein. So klopfte denn der Kaufmann an, aber
alles blieb mäuschenstill. Nun öffnete er leise die Türe und trat
in das Zimmer.
Drei Leute saßen hier in Hemdärmeln an einem Tisch und
zeichneten so eifrig, daß sie weder das pochen noch die Schritte
gehört hatten. Der fremde Kaufmann faßte sich ein Herz und
stammelte einen Gruß. Jetzt guckte sich einer von den dreien um
und schob ein wenig sein schwarzes Käppchen. Ls war ein Mann
von etwa fünfundfünfzig jähren, mit einer etwas gedrückten Nase
und braunem, schön gekräuseltem Bart5), „was begehrt )hr,
Herr?" fragte er. Der Kaufmann erwiderte: „Peter vischer möchte
ich sprechen und seine Gießhütte sehen, wenn es ohne Störung ge¬
schehen könnte." Der Künstler erwiderte: „Ihr stört mich immer,
t -j} waren die patrizischen sieben „Alteren Herren", aus denen die Inhaber
der höchsten Stadtämter hervorgingen. 2) mummenhoff *29. *30. 3) „Dieser
peter bischer war fein erfahren im Gießen, auch dermaßen bei großen Herren
berühmt, daß wenn ein Fürst oder großer Potentat herkam, er’s selten unterließ, daß
er thu nicht in feiner Gießhütte besuchte." Neudörffers Nachrichten *0. 4) Dieses
oeF 3U (Ehren des Nürnberger Heiligen Sebaldus — fand alljährlich am
*9. August statt; zum letzten Male i. 3. *524. Nack Neide. 5) Peter Pifcfrer' aeb
um H60, gest. *529. ' 3