Full text: Im späten Mittelalter (H. 4)

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Hummel, die der Bär unter den Insekten ist, bis zum feinen Singen der 
zierlichen Mücke. So eine große Blütendolde ist wie ein Wirtshaus, wo 
alles einkehrt und sein Schöppchen trinkt. Die fleißige Biene hat es eilig; 
mit ruheloser Hast fliegt sie von einer Blüte zur andern, und ohne Be¬ 
sinnung fliegt sie wieder weiter. — Man merkt ihr an, daß sie nach dem 
Grundsätze lebt: „Zeit ist Honig." Behaglicher macht es sich schon der leicht¬ 
sinnige Lüftebummler, der Schmetterling. Während er seinen Rüssel behutsam 
in ein Blütenschöppchen versenkt, vergißt er nicht, das schimmernde Flügelpaar 
von Zeit zu Zeit auszubreiten und es dem Sonnenscheine darzubieten. Die 
seßhafteren Käfer dagegen sind als Stammgäste zu betrachten, die mit vor¬ 
nehmer Verachtung auf den emsigen Fleiß der Biene wie auf den flatterigen 
Leichtsinn des Schmetterlings blicken, ihr Schöpplein schlückchenweise leeren und 
tiefsinnigen Gedanken über das Wohl und Wehe des Käferlebens nachhängen, 
bis ein hungriger Vogel vorkommt und sie samt ihrer Weisheit auffrißt. 
5. Über das Kornfeld hin schießen gern die Schwalben, um Jagd zu 
machen auf das winzige Geflügel, das die Ähren umschwärmt. Der eigen¬ 
tümlichste Vogel bleibt jedoch außer den Ammern immer die Lerche, die 
bescheiden auf dem Erdboden zwischen den Halmen nistet und von da sich 
singend emporschwingt in die blauen, himmlischen Höhen. 
Andre, versteckt lebende Bewohner des Kornfeldes bekommt man, so¬ 
lange das Getreide steht, selten zu Gesicht, wie das Rebhuhn und die flinke 
Wachtel. Dafür macht sich der klingende Ruf dieser letzteren desto mehr 
bemerklich. An stillen, warmen Frühlingsabenden, wenn ein feuchter Dunst 
über den Feldern schwebt und die nebelbedeckten Wiesengründe wie weiße 
Seen dazwischen liegen, hört inan ihr durchdringendes „Pickperwick" unauf¬ 
hörlich, während die Wiesenralle von der feuchten Wiese her ihren merk¬ 
würdigen, schnarrenden Ruf ertönen läßt und aus der Ferne der einförmige 
Gesang der Frösche schallt. 
6. Von den vierfüßigen Tieren, die das Kornfeld bewohnen, ist wohl 
das reizendste die zierliche Zwergmaus. Man könnte sie das Eichhörnchen 
des Kornfeldes nennen, da sie mit der größten Gewandtheit zwischen den 
Ähren klettert und auch über dem Boden zwischen den Halmen sich ein 
kugliges Rest mit seitlichen! Eingänge baut, in dem sie ihre zuerst überaus 
kleinen Jungen großzieht. Beim Klettern benutzt sie in zierlicher Weise ihren 
Schwanz nach Art mancher Affen als Wickelschwanz, um sich damit festzuhalten. 
7. Hier und da sind im Kornfeld einsame Teiche eingeschlossen, die 
wie helle Augen emporblicken, in denen sich monatelang nichts spiegelt als 
die Wolken des Himmels oder ein vorüberfliegender Vogel. Zwischen Rohr 
und Wasserpflanzen, die den Uferrand umkränzen, zieht hier das grünfüßige 
Wasserhuhn seine niedlichen Jungen auf. An den schrägen Abhängen wächst 
üppig Gras und Blumenwerk, und oben steht das reifende Korn wie eine
	        
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