Full text: Im späten Mittelalter (H. 4)

Lin Abend bei peter Discher. ^89 
ein tvarmer freund der Künste bet Kaufmann war. Er ivai auf¬ 
gestanden, schob unmutig fein Käppchen hin und her und brach 
in Klagen aus, daß er feinem Gast nichts vorsetzen könne, da wegen 
des festes niemand zu Haufe fei, Speisekammer und Keller ver¬ 
schlossen wären. Da ihn der Kaufmann beruhigt hatte, er möchte 
außer Sorge fein, er habe schon einen Abendimbiß zu sich genommen, 
sprach vifcher: „vielleicht freut es Luch, Herr, wenn ich Luch mit 
meinen , Schülern', wie )hr vorhin meintet, bekannt mache.“_ Der 
eine von ihnen war der geschickte Sebastian Lindenaft, der Meister 
des herrlichen Uhrwerks auf der Frauenkirche: er war ein ernster, 
stiller Mann mit langem, gelbem Haar. Der Kaufmann rühmte 
fein Werk als unvergleichbar, er aber wies das Lob zurück mit den 
Worten: „3ch habe, werter Herr, nur die kupfernen Figuren ge¬ 
macht, nur'die Körper vom Kaiser und den Kurfürsten, aber mein 
Freund Hans Heuß1) hat ihnen die Seele gegeben, denn er hat das 
künstliche Uhrwerk eingerichtet." Der dritte Meister, ein Siebzig¬ 
jähriger mit schwarzen Augen, deren )ugendfeuer gar seltsam 
von dem Silberbart abstach, war Adam Kraft, der erste Bildhauer, 
nicht in Nürnberg, sondern in der Welt. Der alte Herr stand rüstig 
auf, stellte dem Kaufmann einen Schemel neben sich zurecht und 
vernahm mit Freude, daß er, der Kaufmann, feine Werke mit 
Bewunderung betrachtet hätte und noch oft betrachten wolle. 
Auf die Frage des Kaufmanns, was sie zeichneten, nahm Meister 
Lindenast das wort, „wir zeichnen immer alle ein und dasselbe 
Ding, jeder nach feiner (Erfindung. Heute war an mir die Reihe 
aufzugeben und so schlug ich vor, den heiligen Martinus abzubilden, 
wie er mit einem Bettler feinen Mantel teilt.“ Als nun der Kauf¬ 
mann, der zugleich ein guter Kunstkenner war, in verständigen 
Worten darlegte, weshalb er diese Aufgabe für keine leichte halte, 
wurde Vifcher immer heiterer. „Unser Gast, der so klug spricht," 
sagte er, „muß heute noch bewirtet werden. Darum schlage ich euch, 
Freunde, vor, daß er unsere Zeichnungen beurteile; wer den Preis 
bekommt, muß die Zeche bezahlen, wir gehen daneben in die 
Schenke; wer die (Ehre hat, hat die Qual." Des waren alle zu¬ 
frieden. 
Der Kunstkenner prüfte genau, fand an jedem Bilde besondere 
Vorzüge, zuletzt aber neigte sich fein Urteil zu gunften der vifcher- 
fchen Zeichnung. Und feiner war darob ihm gram, sie schenkten 
Allmächtigen zu Lob und 5t. Sebald dem Himmelsfürsten zu Lhren, mit Hilf an¬ 
dächtiger Leut von dem Almosen bezahlt." N. N. ^ V — Da Adam Kraft schon J507 
starb, mar das Sebaldusgrab von Pischer selbstverständlich kaum begonnen. 
!) Dieser Heuß hat Ao. ^62 die umgehende Uhr mit den 7 Kurfürsten an 
Unser lieben grauen Kapelle gemacht. ZT. N. 20.
	        
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