Full text: Illustrierte preußische Geschichte

3. Die innere Festigung durch Friedrich Wilhelm I. 89 
wageusteuer erhoben. Selbst die Schweineborsten mußten an die Regierung 
abgeliefert werden, die sie verkaufte. Als auch diese Mittelchen sowie das 
Verschleudern von Domänen der Geldnot noch kein Ende machten, gab man 
sich sogar einem Betrüger in die Hände, der unter dem Versprechen, Gold 
machen zu wollen, dem Könige viel Geld ablockte, bis dieser ihn zuletzt hängen 
ließ. Der arglose König ahnte nichts von den Betrügereien Wartenbergs 
und seiner Helfershelfer. Dazu wurden in den Jahren 1709 —1711 die 
preußischen Gebiete östlich von der Elbe von der aus Polen eingeschleppten 
Pest heimgesucht, wozu sich noch Mißwachs gesellte. Ostpreußen allein verlor 
250000 Menschen, ein Drittel der Bevölkerung. Hilseslehend wandten sich 
die Überlebenden an die Regierung; der König sagte die erbetene Hilfe zu; 
Wartenberg aber lehnte alle Gesuche schroff ab. Da öffnete Kronprinz 
Friedrich Wilhelm seinem Vater die Augen und bat um Einleitung einer 
Untersuchung, die dann ergab, daß in allen Akten Unordnung, in allen Kassen 
Unterschleife der ärgsten Art sich fanden. Wartenberg, Wartensleben und 
Wittgenstein — das dreifache Weh — wurden (1710) bestraft und entlassen, 
aber v. Wartenberg erhielt noch eine hohe Pension und durfte ungehindert 
sein unrechtmäßig erworbenes großes Vermögen mit ins Ausland nehmen. 
Dazu nahm der Nordische Krieg (S. 103) immermehr eine die preußischen 
Länder bedrohende Wendung, während die preußischen Truppen außer Landes 
und die Kassen leer waren. Russische und polnische Trnppen marschierten 
mitten durch die Mark, nahe an Berlin vorbei. Noch mehr erschütterte die 
schon siechen Kräfte des Königs ein Vorgang in feiner Familie: seine dritte 
Gemahlin, Sophie Luise von Mecklenburg, verfiel in Schwermut, die dann 
in Wahnsinn überging. Ju diesem Zustande überraschte sie den schon kranken 
König eines Tages in seinem Zimmer. Er erschrak heftig; denn er glaubte 
„die weiße Frau" zu sehen, eine sagenhafte Erscheinung, die sich immer nahe 
vor einem Unglück im Hohenzollernhanse zeigen soll. Infolgedessen ver¬ 
schlimmerte sich des Königs Krankheit, und schneller, als man erwartet, starb 
„der gütige Herr", wie ihn das Volk nannte (1713). Hat er den Staat 
auch nicht wesentlich vergrößert, so hat er doch durch die Erwerbung der 
Königskrone und durch seine großherzigen Bemühungen um Volksbildung einen 
bedeutenden Schritt vorwärts ans der Bahn zur Größe Preußens gethan. 
5. Die innere Festigung durch Friedrich Wilhelm I. 
J[7\3-J7<*0. 
1. Jugend und Regierungsantritt. 
Friedrich I. hinterließ nur ein Kind, den ihm von seiner Gemahlin 
Sophie Charlotte geborenen Prinzen Friedrich Wilhelm. Derselbe besaß 
weder die Vorliebe des Vaters für äußeren Glanz, noch den feinen Sinn der 
Mutter für Kunst und Wissenschaft, sondern schätzte nur das unmittelbar 
Nützliche. Urdentsch in seiner ganzen derben Art und gründlichen Arbeit, 
haßte er die Franzosen und ihre Liederlichkeit; um sie den Berlinern zu ver¬ 
leiden, ließ er die Prügelknechte nach der neuesten französischen Mode kleiden.
	        
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