6. Preußens Fall und Wiederaufrichtung unter Friedrich Wilhelm III. 171
Jena auf die Hochebene des linken Saalufers zurück, und da ihm verboten
war, sich in ein ernstes Gefecht einzulassen, besetzte er weder die Flußüber-
gäuge, noch die das Thal uud die Hochfläche beherrschenden Höhen. Napoleon
bemerkte dies uud führte nachts mit der Fackel in der Hand selber sein Ge¬
schütz auf den steilen Landgrafenberg; bei Anbruch des folgenden, für Preußen
fo verhängnisvollen Tages — des 14. Oktober •— hatte er schon den sicheren
Sieg in Händen. Wohl fochten die preußischen Truppen ihres alten Ruhmes
würdig, besonders ihre Reiterei zeigte sich der französischen überlegen; aber
ihr schwerfälliges Fußvolk war dem beweglichen französischen nicht gewachsen.
In knrzer Zeit war das preußische Heer vollständig geschlagen; selbst die
Reserve wurde mit in die Niederlage verwickelt; wie ein wirrer Knäuel wälzte
sich alles auf Weimar zn. Jedes Hornsignal der Franzosen vermehrte die Angst
und Verwirrung. „Tausendmal lieber sterben," sagte später Gneisen au,
„als das noch einmal erleben."
Gleichzeitig kämpfte das preußische Hauptheer unter dem Herzog von
Braunschweig bei Auerstädt, einige Meilen unterhalb Jenas, gegen ein anderes,
an Zahl weit schwächeres französisches Korps unter Davoust und Bernadotte,
das abgeschickt war, dem Hohenloheschen Korps in den Rücken zu fallen.
Beide Heere waren überrascht, hier im dichten Nebel so unerwartet aus deu
Feiud zu stoßen; unglücklicherweise wurde der Herzog gleich nach Beginn der
Schlacht durch eine Kugel tödlich geblendet, und da der König den Oberbefehl
nicht übernahm, auch einen anderen Oberfeldherrn nicht ernannte, so fehlte
jede einheitliche Leitung. Vergebens versuchten der Bruder des Königs, Prinz
Wilhelm, sowie General Blücher und Oberst Scharnhorst den Sieg zn
erringen; nach hartem Streit und mit Aufbietung aller Kräfte brachte das
französische Heer das preußische zum Weichen. Der Rückzug erfolgte anfangs
in ziemlicher Ordnung; da stieß das Hauptheer mit den slüchtigen Hausen
des Hohenloheschen Korps zusammen, geriet in Unordnung und löste sich
ebenfalls auf. An einem Tage war das einst so herrliche und bisher so
gefürchtete Heer zertrümmert.
Gleich am Tage nach der Schlacht legte Napoleon den preußischen Pro¬
vinzen westlich von der Weichsel, die er bereits als erobert betrachtete, eine hohe
Kriegssteuer auf; Sachsen fiel von dem erzwungenen Bündnis mit Preußen
ab. Das geschlagene preußische Heer sloh der Elbe zu, viele gemeine Sol¬
daten verließen ihre Fahnen, als gäbe es kein Preußen mehr. Keine der
preußischen Festungen war gerüstet, da niemand einen Einsall des Feindes
in das Herz des Landes für möglich gehalten hatte. Erfurt, das dem ge¬
schlagenen Heere zuerst einen Halt hätte bieten können, kapitulierte unter
Möllendorf schon am Tage nach der Schlacht. Blücher hatte einen Teil des
flüchtigen Heeres zusammengerafft, den Harz überschritten und war durch die
Altmark über die Elbe gelangt; den größeren Teil suchte Hohenlohe unter dem
Schutze der Festung Magdeburg zu sammeln. Während diese Truppen den Um¬
weg durch den Harz genommen hatten, war Napoleon geradeswegs über Halle,
wo er noch ein preußisches Reservekorps schlug, aus Berlin marschiert und näherte
sich bereits Potsdam. Deshalb beschloß Hohenlohe, sich aus Stettin zurück¬
zuziehen; sogleich ward Murat abgeschickt, ihm den Weg zu verlegen. An