1. Die Errichtung des Deutschen Reichs durch Kaiser Wilhelm deu Großen. 259
Als Stellvertreter des Königs (seit 1857) hatte der Prinz die Regierung
mit Selbstverleugnung ganz im Sinne seines Bmbers geführt; als Prinz¬
regent (seit 1858) aber war er selber verantwortlich und durfte nach eigener
Überzeugung handeln. Vor versammeltem Landtage schwur er, die Verfassung
des Laudes unverbrüchlich zu halten, berief ein liberales Ministerium und
legte ihm in klaren, entschiedenen Worten die Grundsätze dar, uach denen er
bie Regierung zu führen gedenke. Das Wohl ber Krone unb bas bes Lanbes,
sagte er, sei unzertrennlich. Die Armee, bie Preußens Größe geschaffen, müsse
mächtig unb angesehen sein; nach außen müsse Preußen seine Unabhängigkeit
Roon.
wahren, in Dentschlanb nur moralische Eroberungen machen. Die Welt müsse
wissen, baß es überall bas Recht zu schützen bereit sei. Balb sollte Europa
erfahren, baß in Preußen bas Staatsruber in fester Hanb ruhte.
In bem Kriege, ben 1859 Sarbinien mit französischer Hilfe gegen
Österreich um bie Vorherrschaft in Italien unb um bie Einigung bieses
Lanbes führte unb in dem Österreich bie Lombarbei verlor, sah sich Preußen
genötigt, zur Verhütung eines französischen Übergriffs einen Teil feines Heeres
kriegsbereit zu machen. Dabei würben empfinbliche Mängel bes preußischen
Heerwesens bloßgelegt. Obwohl nämlich seit 1814 jeber Preuße wehrpflichtig war,
würben trotz ber stetigen Zunahme ber Bevölkerung von 11 auf 18 Millionen
both jährlich nur 40000 Rekruten eingezogen; ba sie brei Jahre in ber Linie
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