Full text: Lesebuch aus Gustav Freytags Werken

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Das Mittelalter. (1100—1250.) 
großer Heerfahrt bedurfte. Als Friedrich der Rotbart die Frucht 
vierundzwanzigjähriger Anstrengungen in Italien einernten wollte, 
zog der Sachsenherzog von ihm und gab ihn seinen Feinden preis;') 
als Philipp sich mit dem Papste ausgesöhnt hatte und seinen Gegen¬ 
kaiser Otto zum letzten entscheidenden Kampfe drängte, wurde er 
durch einen deutschen Reichsfürsten ermordet. Wenn Friedrich II. 
dabei war, den letzten Widerstand der italienischen Gegner zu 
brechen, mußte er eilig nach Deutschland zieheu und gegen den 
eigenen Sohn/) oder gegen Friedrich von Österreich, oder gegen 
Heinrich von Türingen um Reich und Krone kämpfen. Kein 
Königshaus hat die Fürsten des deutschen Reiches gewalttätiger 
behandelt, und keines hat ihnen so viele Zugeständnisse machen 
müssen, um ihre Heersolge zu sichern. Während Hohenstaufen über 
Lombarden, Normannen und Araber siegten, am Golf von Neapel 
Tafelrunde hielten und ihr Banner in die Mauersteine Jerusalems 
steckten, war ganz Deutschland mit Fehde, Raub, Gewalttat er¬ 
füllt nnd die asiatischen Mongolen brachen über die schutzlose Reichs¬ 
grenze. 3) 
Aber Papsttum und Kaisertum strahlten in jener Zeit, die 
beiden Verhängnis wurde, noch einmal den hellsten Glanz ans, 
denn die starken Männer, welche hier und dort für eiue große Idee 
kämpften, waren Bewunderung und Schrecken ihrer Zeitgenossen. 
Nicht die politischen Erfolge und Niederlagen der Hohenstaufen 
waren das größte, was sie den Deutschen bereiteten. Der beste 
Segen jedes großen Herrscherlebens ist, daß es Glanz und Wärme 
in Millionen Herzen sendet. Mit den Anforderungen, die es seinem 
Volke zumutet, erweckt es auch Begeisterung und ein edles Selbst- 
gefühl, Steigerung der nationalen Kraft auf jedem Gebiete irdischer 
Interessen, größeres Urteil und eine Fülle von poetischen Em¬ 
pfindungen. Diefer Segen eines starken Lebens wirkt noch dann 
einen unendlichen Kulturfortschritt des Volkes, wenn sich als Irr¬ 
tum erweist, was den Herrschenden selbst für das höchste Ziel ihrer 
*) Heinrich der Löwe verließ den Kaiser nach dem Gespräch von Chiavenna 
(Partenkirchen?) 
2) Später Heinrich VI. 
3) Einfall der Mongolen 1241 (Schlacht bei Liegnitz).
	        
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