Full text: Im alten Reich ([Teil 1])

— 3 — 
„Vater," schreit einer der jungen Männer zu dem Graubärtigen 
neben " ihm. Der sieht sich nicht um. Der Sturm hat den Laut ver¬ 
schlungen. Aber er denkt dasselbe wie sein Sohn. And sie denken beide, 
wie diesen Winter ein fahrender Spielmann in ihrer Lalle sang, und 
sang von einem Lande, da lacht ewige Sonne, und weiche Winde tragen 
würzige Düfte gen Limmel. Das Land heißt Statten. Wer hin wollte, 
müßte dorthin reisen, wo 'Mittags die Sonne steht, zur Sonne, immer 
zur Sonne. 
Da wuchtet mit heulendem Lall ein solcher Windstoß daher, daß 
selbst diese Riesen ins Wanken geraten. Sie taumeln den Deich hin¬ 
unter, wo unten Schutz ist und die Ä)indsbraut über ihren Läuptern zu 
Lande fährt. 
„Vater," sagt der Junge wieder, „wenn die Flut wieder so hoch 
kommt wie gestern —" 
„Leut kommt sie höher," sagt der Alte. Äber ihnen flattert wie 
weißes Laar der Schaum einer Welle herauf, der ist am Deich losge¬ 
rissen und fliegt weit über das Land. 
„Wenn das man hält, was wir eben geschüttet haben," sagte der 
Junge. 
„Das hält zwei Tage. Wenn am dritten Tage Wodans Rosse 
noch jagen wie heut, dann wollen sie den Sprung tun über unsere Felder 
und Lütten." 
Entsetzt starrt der Sohn dem Vater ins Gesicht. Er zeigt auf¬ 
wärts nach Norden und abwärts nach Süden. Das Land ist wie eine 
Tenne. „Bricht das Meer hier herein," sagt er, „dann ist es dort und 
dort und überall. Unser Land ist dann Meerflut, und unsere Lütten 
schwimmen wie Treibholz." 
„3a," sagt der Alte, „dann treibt uns Wodan aus dem Lande." 
ilnd sie klimmen aufwärts und arbeiten. 
Aber wie die Flut vorüber war, da war kaum noch etwas zu sehen 
von dem, was die fleißigen Arme geschaffen. Lachend und tobend waren 
die fürchterlichen Wogen heraufgesprungen und hatten die Pfähle in die 
Land genommen, die sie eben beide eingerammt, und hoch in die Luft 
geworfen. And so ging es nicht einen Tag, so ging es Tag um Tag, 
mehr als eine volle Woche hindurch, den ganzen Nordstrand bis hinauf 
zum hohen Norden. And zuletzt, mitten im höhnenden Tanz und heulenden 
1*
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.