Full text: Im alten Reich ([Teil 1])

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und nahmen die Flüchtigen mit Spießen und Schwertern in Empfang. 
Die eine erstach ihren Mann, die andere erschlug ihren Bruder, die dritte 
ihren Vater. Dann erwürgten sie ihre Kinder und warfen sie unter den 
Wagen, und zuletzt rannten sie sich selbst die Schwertspitze in die Brust. 
Die ledigen Männer aber, die übrig geblieben, konnten den Schimpf des 
Lebens auch nicht mehr tragen. 3n ihrer Wildheit legten sie sich Taue 
um den Äals, banden sich, da keine Bäume da waren, an den Lörnern 
oder Beinen ihrer Tiere fest, stachelten sie dann und ließen sich so von 
den wild gewordenen Tieren zerstampfen und zu Tode schleifen. 
Das war der erste Zusammenstoß der Germanen mit den Römern und 
ihr Untergang bei Aquä Sextiä und Vercellae. Es zeigte sich, daß sie 
eine wilde Zugendkraft und ein edles Blut in sich trugen, aber daß sich 
diese Kraft ohne Ordnung und Regierung nicht halten konnte gegen die 
Kunst und Ausdauer eines geordneten Staates. Wenn sie einmal zu 
bleibenden Siegen kommen wollten, mußten sie erst lernen, sich selbst eine 
Regierung zu schaffen, die dafür sorgt, daß das Volk nicht sorglos in den 
Tag hineinlebt, sondern die Künste der andern Völker lernt und auf sie 
acht gibt und jederzeit zum Kampf gerüstet ist. 
Die Römer am Rhein und Hermann der Cherusker. 
Das hat nun Äunderte von Jahren gedauert, ehe die Deutschen das 
gelernt haben, und deshalb haben sie das Römerreich noch lange nicht 
zerstören können, sondern sie sind vielmehr zum großen Teil für lange Zeit 
ganz unter die Äerrschast der Römer gekommen. Schon 100 Jahre nach 
dem Einfall der Cimbern und Teutonen, als der Kaiser Augustus regierte, 
waren die deutschen Stämme namentlich am Rhein und seinen Nebenflüssen 
so ziemlich ganz unter der Regierung der Römer. Die hatten erst Frank¬ 
reich erobert und waren dann über den Rhein gekommen. Vor allem der 
große Römerfeldherr Cäsar hatte das getan, der um 50 v. Chr. anfing, 
seine Alleinherrschaft über das weite römische Reich zu begründen, und 
nach dem man bis auf den heutigen Tag den Alleinherrscher über so ein 
weites Reich Cäsar oder — anders ausgesprochen — Kaisar oder Kaiser 
nennt. Er hat zwar mit den Germanen manche Schlacht durchgekämpft, 
aber das waren immer einige iöaufen oder, wie man sagt, Stämme. So 
wenig die Cimbern einen König und eine Staatsregierung gehabt hatten, 
so wenig hatten alle Deutschen zusammen eine, sondern sie wohnten oder
	        
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