384 VIII. Lieder aus dein allgemeinen Menschenleben und aus der Natur.
400 die Nachbarin des Donners, schweben
und grenzen an die Sternenwelt,
soll eine Stimme sein von oben
wie der Gestirne Helle Schar,
die ihren Schöpfer wandelnd loben
405 und führen das bekränzte Jahr.
Nur ewigen und ernsten Dingen
sei ihr metallner Mund geweiht,
und stündlich mit den schnellen Schwingen
berühr' im Fluge sie die Zeit.
410 Dem Schicksal leihe sie die Zunge;
selbst herzlos, ohne Mitgefühl,
begleite sie mit ihrem Schwünge
des Lebens wechselvolles Spiel.
Lind wie der Klang im Ohr vergehet,
415 der mächtig tönend ihr entschallt,
so lehre sie, daß nichts bestehet,
daß alles Irdische verhallt.
Jetzo mit der Kraft des Stranges
wiegt die Glock' mir aus der Gruft,
420 daß sie in das Reich des Klanges
steige, in die Äimmelslust!
Ziehet, ziehet, hebt!
Sie bewegt sich, schwebt!
Freude dieser Stadt bedeute,
425 Friede sei ihr erst Geläute!
193. Die Macht des Gesanges.
Von Friedrich Schiller.
1. Ein Regenstrom aus Felsenriffen,
er kommt mit Donners Angestüm,
Bergtrümmer folgen seinen Güssen,
und Eichen stürzen unter ihm;
erstaunt, mit wolluftvollem Grausen,
hört ihn der Wanderer und lauscht,
er hört die Flut vom Felsen brausen,
doch weiß er nicht, woher sie rauscht:
so strömen des Gesanges Wellen
hervor aus nie entdeckten Quellen.