Full text: Das neue Reich ([Teil 2])

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An der Geschichte kann man recht erkennen, wie der König Friedrich 
Wilhem IV. war. Witzig und geistreich, scharf in seinem Spott, dabei ein gut- 
herziger Freund des Volkes, der seinen Untertanen nichts Äartes und Böses 
gönnte und ihnen gern die Freiheit und Einigkeit verschaffen wollte, nach denen 
sie und die deutschen Brüder verlangten. 
Als er deshalb zur Regierung kam, war sein Erstes, daß er die Ge¬ 
fängnisse öffnete und die Männer freigab, die unter seinem Vater als Volks¬ 
verführer eingekerkert waren. Auch Fritz Reuter kam damals los, und Ernst 
Moritz Arndt wurde in sein Amt als Professor wieder eingesetzt. 
Bestrebungen und Enttäuschungen. 
Das gab eine große Freude im Volk, und man hoffte, er würde nun eine 
Verfassung geben und die preußische Freiheit begründen. Ebenso dachten auch 
die Freunde der deutschen Einigkeit, daß er ihre Loffnungen erfüllen würde. 
Die Franzosen waren damals wieder frech geworden und wollten die linke 
Rheinseite abgetreten haben. Da rüstete Friedrich Wilhelm seine Soldaten, als 
sollte es zum Kriege gehen, und schickte Botschaft an die andern deutschen 
Fürsten, sie möchten ihm doch beistehen, daß ganz Deutschland einig gegen den 
Erbfeind marschieren könnte. Die ließen sich auch wirklich bereden, und es gab 
einmal wieder einen Zug und Schwung in Deutschland, als sollten die deutschen 
Länder nun wirklich einig werden. Damals kam auch der Dichter Schnecken¬ 
burger und dichtete das Lied: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall, wie Schwert¬ 
geklirr und Wogenprall: Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein, wer 
will des Stromes Lüter sein. Lieb Vaterland, magst ruhig sein, fest steht und 
treu die Wacht am Rhein." Aber als die Franzosen merkten, was sie an¬ 
gerichtet hatten, ließen sie ihre unverschämten Forderungen fallen und hielten 
Frieden. Nun wäre es wohl Zeit gewesen, daß die Fürsten zusammengetteten 
wären und gejagt hätten: „Wir wollen ein einziges Reich bilden und einen 
deutschen Kaiser wählen." Aber da stand Österreich hinten im Osten, das 
wollte nicht. Es wollte nicht aus Deutschland heraus und wollte immer in 
Deutschland am meisten zu sagen haben, und doch wollte es immer ein eigenes 
Kaiserreich Österreich bleiben, und niemand in Deutschland sollte darüber mit¬ 
reden dürfen, ob die österreichischen Soldaten in den Krieg marschierten oder 
nicht. Es war, als wären die deutschen Staaten Kupferblöcke und Zinnblöcke, 
die zusammengeschmolzen werden sollten, damit das Deutsche Reich daraus 
gegossen würde, und da lag wie ein Steinklotz Österreich darin, das ließ sich
	        
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