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Leopold v. Ranke.
künfte wurden zerstört. Viele flüchteten: in allen Städten in Deutsch¬
land und der Schweiz begegnen wir diesen Flüchtlingen. Diejenigen,
dre weder nachgeben wollten, noch zu entfliehen wußten, verfielen der
Strafe^ In Venedig wurden sie mit zwei Barken aus den Lagunen
hinaus in das Meer geschickt. Man legte ein Brett zwischen die Barken
und setzte die Verurteilten darauf; in gleichem Augenblick fuhren die
Ruderer auseinander: das Brett stürzte in die Flut; noch einmal riefen
die Unglücklichen den Namen Christi aus und sanken unter. In Rom
hielt man vor Santa Maria alla Minerva die Autodafes in aller Form.
Mancher floh von Ort zu Ort mit Weib und Kind. Wir begleiten sie
eine Weile; dann verschwinden sie: wahrscheinlich sind sie den unbarm¬
herzigen Jägern in die Netze geraten. Andere hielten sich still. Die
Herzogin von Ferrara, welche, wenn es kein salisches Gesetz gegeben
hätte, Erbin von Frankreich gewesen wäre, ward durch Geburt und hohen
Rang nicht beschützt. Ihr Gemahl war selbst ihr Gegner. „Sie sieht
niemanden," sagt Marot, „gegen den sie sich beklagen könnte: die Berge
sind zwischen ihr und ihren Freunden; sie mischt ihren Wein mit Tränen."
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