Full text: Zur deutschen Geschichte (Teil 1)

Die ächten Palmen wehen 
Nur dort um sein Panier: 
Ich hab' ihn liegen sehen 
In seiner Kaiserzier. *) 
Was durfte mich verführen, 
Zu öffnen seinen Sargd 
Den Lorbeer anzurühren, 
Der seine Schläfe barg?") 
O Freunde, laßt das Klagen, 
Mir aber gebt Entsatz, 
Und macht dem Leichenwagen 
Mit euren Waffen Platz!"*) 
Bedeckt das Grab mit Rosen, 
Das ich so ftüh gewann, 
Und legt den thatenlosen 
Zum thatenreichsten Mann. 
platen. 
I. Mosen: Otto III. (Drama). 
47. Willegis. 
Bischof 977 — 101 1. 
Es sahn am Thum zu Mainz die adeligen Herrn 
Den Willegis zum Bischof nicht allewege gern. 
Der war ein Wagnerssohn: 
Sie malten ihm zum Hohn 
Mit Kreide Räder an die Wand. 
Die sah er, wo er ging und stand; 
Doch es nahm Willegis 
An dem Schimpf kein Ärgernis. 
Denn als der fromme Bischof die Räder da ersehn, 
So hieß er seinen Knecht nach einem Maler gehn. 
„Komm, Maler, male mir 
An jede Thür dahier 
Ein weißes Rad im roten Feld; 
Darunter sei die Schrift gestellt: 
Willegis, Willegis, 
Denk, woher du kommen sis!" 
Nun wurde von den Herren im Thum nicht mehr geprahlt; 
Man sagt, fte wischten selber hinweg, was fte gemalt. 
Sie sahn, dergleichen thut 
Bei weisem Mann nicht gut. 
Und was dann für ein Bischof kam, 
Ein jeder das Rad ins Wappen nahm. 
Also ward Willegis 
Glorie das Ärgernis! A. 
) Jul. Sturm: Otto III. in der Gruft' Karls des Großen. 
_ ) ®c .sollte sich an dem Anblicke des großen Toten begeistern, that das goldene 
Kreuz, das ihn schmückte, ihm ab und sich um, ließ dauu die Stätte wieder schließen und 
kehrte nach Italien zurück. Diese Öffnung der Gruft wurde als eine Entweihung, als Störung 
der ffuihe des Toten betrachtet, und die Volkssage berichtet, Karl der Große sei Otto in 
bei- Jeacht daraus im Traume erschienen und habe ihm zur Strafe seinen nahen und kinder¬ 
losen Tod verkündet. 
***) Der Leichenzug wurde 7 Tage lang verfolgt und angegriffen.
	        
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