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II.
Sie sieht ihn an mit kindlichem Ergeben:
In seinen blauen treuen Augen glüht
Die Bürgschaft für ein wunderselig Leben
Durch dieses hohe, herrliche Gemüt.
Was kann sie Höh'res auf der Welt erstreben
Als ihr an dieses Gatten Seite blüht?
O laßt uns flehend jetzt den Sinn erheben,
Daß nicht zu rasch das seltne Glück entflieht!
Doch anders hat der Himmel es gewollt,
Auf daß zum Eden nicht die Welt uns werde.
Kaum hat der Jahrslauf fünf Mal sich entrollt,
So liegt im Sarg die liebliche Geberde,
So stirbt, die hier so glücklich war, so hold!
Das ist das Loos des Schönen auf der Erde!
Caroline Pichler.
Martin: Unter den Sternen S. 94, 95.
93. Abfahrt von Innsbruck.
Am Jnnstrom harrt ein Schifflein beim ersten Frührotschein,
Da stieg, verhüllt im Mantel, der kranke Kaiser ein,
Die treue Eichentruhe lehnt düster neben ihm/)
Fort schießt im raschen Strome das Schiff mit Ungestüm.
Am Strande murmelnd fraget nun Jnnsbruck's Volk im Kreis:
Wohin so schnell und eilig, du düstrer Kaisergreis? —
Da schien von Maxens Lippen, das Wort zurückzuwehn:
„Lebt wohl! lebt wohl! nach Östreich will ich nun sterben gehn!"
Es lehnt am Eichensarge sein Haupt von Sorgen schwer,
Zum Himmel blickt er düster, und düster rings umher:
//Du schönes Land, dich liebt' ich so glühend stets und treu,
O wüßt' ich nur, ob glücklich durch mich mein Volk auch sei?"
Die Flut umrauscht das Schifflein, und schnell vor Maxens Blick
Fliehn Thäler, Berg' und Flächen, Gehöft und Stadt zurück;
Wohin er blickt, sprießt Leben und Segen, Kraft und Fleiß,
Wohin er horcht, klingt Freude und Jubelsang und Preis.
Auf Wiesen klirrt die Sense, in Wäldern knallt das Rohr,
Gewaltge Hämmer stampfen durchs Thal im Donnerchor,
Und aus dem Schlund der Schlöte qualmts riesig, dicht und grau,
Da schien auf schwarzen Säulen zu ruhn des Himmels Bau.
*) Max führte lange Zeit vor seinem Ende einen Sarg mit sich.