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15. begegnet man den ersten Spuren des Wanderzwanges, der sich
im 16. überall verbreitete, und offenbar neben der Ausbildung im
Berufe auch den Zweck verfolgte, die Konkurrenz im Handwerk
zu mindern und die Erlangung des Meisterrechts zu erschweren;
waren doch überall die Söhne eines Meisters und die, welche die
Witwe oder die Tochter eines Meisters heirateten, vom Wander¬
zwange befreit.1) Die vorgeschriebene Wanderzeit dauerte 1 bis
6 Jahre, meist 3 bis 4 Jahre. Der Geselle wanderte natürlich in
die Länder und Städte, in denen sein Handwerk in Blüte stand,
während er Städte, in denen sein Handwerk nicht zünftig war,
meiden mußte.
An die Wanderschaft knüpfte sich eine große Zahl von vor¬
geschriebenen Formeln, die alle ursprünglich einen guten Sinn
hatten, später aber als „läppische Redensarten“ von Reichstags¬
schlüssen untersagt wurden.
Hatte der Geselle Sonntags nach dem Essen seinem Meister
vorschriftsmäßig gekündigt, so mußte er Montags nach 8 oder 14
Tagen den Wanderstab ergreifen. Mit dem Tornister auf dem
Rucken und mit dem Stocke in der Hand trat er vor seinen
Meister, um in feststehenden Redensarten Abschied zu nehmen.
„Alles mit Gunst! Ich bedanke mich des Meisters seines guten
Willens, den er mir erwiesen hat. Kommt er oder der seinigen
oder ein anderer ehrlicher Geselle heute oder morgen zu mir, so
will ich ihm wieder einen guten Willen beweisen; kann ich es
nicht verbessern, so will ich es nicht verringern. Wo meiner im
Argen gedacht wird, so gedenke er meiner am besten. Desselben-
gleichen will ich tun und bedanke mich nochmals für alles Gute.“
Auch der Meister hatte in feststehender Redeweise zu erwidern:
„Alles mit Gunst! Es ist Dir von mir nicht viel Gutes wider¬
fahren; ich versehe mich auch, nicht viel Arges; immer den guten
Willen für die Tat; Du siehst wohl, das Kloster ist arm, und der
Brüder sind viel, und der Arbeiter trinkt auch gern Wein und
Bier. Ich wünsche Dir Glück zu Weg und Steg, zu Wasser und
zu Land. Wo Dich der liebe Gott hinsendet, wo Du hinkommst,
x) Der Wanderzwang hatte nicht in allen Handwerken Geltung. In man¬
chen bestand sogar ein Wanderverbot. Das waren die gesperrten Handwerke.
So war z. B. in Nürnberg den Drahtziehern, Brillenmachern, Kompaßmachern,
Fingerhütern, Spieglern u. a. das Wandern verboten; denn diese Handwerke
sollten sich nicht in andere Städte verbreiten.