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% Von Freiheit und Vaterland.
Moritz Ärndt.*
Katechismus für den teutschen Kriegs- und Wehrmann. O. O. (Breslau.) 1813. S. 40.
1. Und es sind elende und kalte Klügler aufgestanden in
diesen Tagen, die sprechen in der Nichtigkeit ihrer Herzen:
Vaterland und Freiheit — leere Namen ohne Sinn, schöne
Klänge, womit man die Einfältigen bethört; — wo es dem
Menschen wohl geht, da ist sein Vaterland; wo er am wenigsten
geplagt wird, da blüht seine Freiheit. — Diese sind wie die
dummen Tiere nur auf den Bauch und auf seine Gelüste
gerichtet und vernehmen nichts von dem Wehen des himm¬
lischen Geistes. Sie grasen wie das Vieh nur die Speise des
Tages, und was ihnen Wollust bringt, dünkt ihnen das einzig
Gewisse. Darum heckt Lüge in ihrem eitlen Geschwätz, und
die Strafe der Lüge brütet aus ihren Lehren. Auch ein Tier
liebt; solche Menschen aber lieben nicht, die Gottes Ebenbild
und das Siegel der göttlichen Vernunft nur äußerlich tragen.
Der Mensch aber soll lieben bis in den Tod und von seiner
Liebe nimmer lassen, noch scheiden. Das kann kein Tier,
weil es leicht vergißt, und kein tierischer Mensch, weil ihm
Genuß nur behagt.
2. Darum, o Mensch, hast du ein Vaterland, ein heiliges
Land, ein geliebtes Land, eine Erde, wonach deine Sehnsucht
ewig tichtet und trachtet, — wo dir Gottes Sonne zuerst
schien, wo dir die Sterne des Himmels zuerst leuchteten, wo
seine Blitze dir zuerst die Allmacht offenbarten, und seine
Sturmwinde dir mit heiligen Schrecken durch die Seele
brauseten, — da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland. Wo
das erste Menschenaug’ sich liebend über deine Wiege neigte,
wo deine Mutter dich zuerst mit Freuden auf dem Schoße
trug, und dein Vater dir die Lehren der Weisheit ins Herz
grub, — da ist deine Liebe, da ist dein Vaterland. Und seien
es kahle Felsen und öde Inseln, und wohne Armut und Mühe
dort mit dir, du mußt das Land ewig lieb haben; denn du
bist ein Mensch und sollst nicht vergessen, sondern behalten
in deinem Herzen.
3. Auch ist die Freiheit kein leerer Traum und kein
wüster Wahn, sondern in ihr lebt dein Mut und dein Stolz
und die Gewißheit, daß du vom Himmel stammst. Da ist
Freiheit, wo du leben darfst, wie es dem tapfern Herzen
gefällt, — wo du in den Sitten und Weisen und Gesetzen
deiner Väter leben darfst, — wo dich beglückt, was schon
deinen Urältervater beglückte, — wo keine fremde Henker
über dich gebieten und keine fremde Treiber dich treiben, wie
man Vieh mit dem Stecken treibt.
4. Dieses Vaterland und diese Freiheit sind das aller¬
heiligste auf Erden, ein Schatz, der eine unendliche Liebe
und Treue in sich verschließt, das edelste Gut, was ein guter