Full text: Der deutsche Frühling 1813 (H. 4)

— 2 — 
weiße Nachtmützen, wie sie der Bauer trug, tief in das Gesicht ge¬ 
zogen, ein Tuch oder ein Stück Pelz zum Schutze der Ohren darüber 
geknüpft, Tücher auch über den untern Teil des Gesichts. Und 
doch waren der Mehrzahl Ohren und Nasen erfroren und feuerrot; 
erloschen lagen die dunkeln Augen in [ihren Höhlen. Selten trug 
einer Schuh oder Stiefel; glücklich war, wer in Filzsocken oder in 
werten Pelzschuhen den elenden Marsch machen konnte. Vielen 
waren die Füße mit Stroh umwickelt, mit Decken, Lappen, dem 
Fell der Tornister oder dem Filz von alten Hüten. 
So schlichen sie Tag für Tag auf der Landstraße heran, in der 
Regel, sobald die Abenddämmerung und der eisige Winternebel über 
den Häusern lag. Dämonisch erschien das lautlose Erscheinen der 
schrecklichen Gestalten. Entsetzlich waren die Leiden, welche sie mit 
sich brachten; die Kalte in ihren Leibern sei nicht fortzubringen, ihr 
Hunger sei nicht zu stillen, behauptete das Volk. Wurden sie in 
ein warmes Zimmer geführt, so drängten sie mit Gewalt an den 
heißen Ofen, als wollten sie hineinkriechen; vergebens bemühten sich 
mitleidige Hausfrauen, sie von der verderblichen Glut zurückzuhalten. 
Gierig verschlangen sie das trockene Brot; einzelne vermochten nicht 
aufzuhören, bis sie starben. 
Während der Zeit war Napoleon, nur einen Begleiter neben 
sich, verhüllt, als Herzog von Vicenza, Tag und Nacht durch 
preußisches Land gefahren. Am 12. Dezember war er um 8 Uhr 
abeuds in Glogau angelangt. Dort hatte er eine Stunde geruht 
und war um 10 Uhr in grimmiger Kälte aufgebrochen. Am nächsten 
Morgen war er zu Hainau in der alten Burg eingefahren, wo da¬ 
mals der Posthof war. Dort hatte die entschlossene Postmeisterin 
Gramsch ihn erkannt, in ihrer Küche mit den Löffeln geschlagen uud 
geschworen, ihm keinen Tee zu gönnen, sondern ihm einen andern 
Trank zu brauen. Durch die ^ängstlichen Vorstellungen ihrer Um¬ 
gebung war sie endlich bis ans Kamillentee erweicht worden, den 
sie mit hartem Fluch in die Kanne goß. Er hatte doch getrunken 
und war weiter gejagt, auf Dresden zu. (Freytag.) 
Er. 
Weib, zieh den Laden ein und lösch das Licht! 
Die Ruh ist süß, ja sie ist Bürgerpflicht.
	        
No full text available for this image
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.