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„Was für Ansichten hat man in Berlin? Ist man schon so tief
gesunken, daß man es nicht wagen darf, die Sklavenketten zu zer-
brecheu, die wir seit 5 Jahren so demütig tragen mußten? Jetzt
oder niemals ist der Zeitpunkt, Freiheit und Ehre wiederzuerlangen...
Mit blutigem Herzen zerreiße ich die Bande des Gehorsams und
führe den Krieg auf meine eigene Hand. Die Armee will den
Krieg gegen Frankreich, das Volk will ihn, der König will ihn;
aber der König hat keinen freien Willen. Die Armee muß ihm
diesen Willen frei machen. Ich werde in kurzem mit 50000 Mann
bet Berlin und an der Elbe sein. An der Elbe werde ich zum
Könige sagen: hier, Sire, ist Ihre Armee und hier ist mein alter
Kopf . . ." (Droysen.)
3. Der Anfang der Erhebung in Ostpreußen.
Königsberg bot nach der Konvention ein recht lebendiges Bild
des Kriegslebens: wechselsweise die tapferen Regimenter des Generals
Jork in und bei der Stadt, russische Generale und Offiziere, zum
Teil sogar noch solche, die als preußische Gefangene oder Ver¬
wundete hierhergebracht worden waren, und die nun hier frank
und frei umhergingen. Auch Durchführungen und Durchtreibungen
unglücklicher einzelner Trupps französischer Gesangener unter dem
Knall der Kosakenpeitschen; zu diesem die meist unter lautem Jubel
einziehenden Scharen von Jünglingen, welche das Jorksche Heer
ergänzen und verstärken sollten.
Nun war auch Stein dazu gekommen, und die Augen aller
Menschen waren auf ihn gerichtet. Aus allen Enden des Landes
strömten die Männer herbei, teils in des eigenen Herzens Angelegen¬
heiten, teils zu dem großen, von Stein veranlaßten preußischen
Landtage In diesem Leben und Weben der Dinge und Menschen
war Stein der Morgenstern der Hoffnung. . . Er träumte, wußte,
dachte Tag und Nacht nichts anderes als Erhebung und Ausstand des
ganzen deutschen Volks gegen den bösesten Feind, als baldigstes
Bündnis zwischen Kaiser Alexander und König Friedrich Wilhelm
und dann geschwindesten Marsch über Weichsel und Oder zur Elbe
und zum Rhein. Hier in Königsberg öffnete sich nun der Anfang
des künftigen deutschen Volkskriegs. . .