Full text: Das Mittelalter (Teil 2 = Unterprima)

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nicht nur von volkstümlichen Predigern wie Geiler von Kaisers¬ 
berg die Gebrechen der Kirche offen gebrandmarkt, sondern auch 
von einzelnen Theologen wie Johann von Goch (f 1475) und 
Johann Wessel (f 1489) in Bezug auf die Rechtfertigung, von 
Johann Ruchrath (f 1481) in Bezug auf den Ablaß einzelne 
kirchliche Lehren offen bekämpft. 
Den ersten systematischen Angriff auf das kirchliche Dogma 
unternahm der Engländer John Wyeliffe (f 1348), dessen Lehren 
von dem göttlichen Lehnsrecht und der allgemeinen Autorität der 
Schrift, von Johann Hus (f 1415 zu Kostnitz) aufgenommen, 
eine blutige politisch-soziale Revolution in Böhmen hervorriefen 
und auch in Deutschland unter dem niederen Volke in Stadt und 
Land neben der sozialen eine religiöse Gärung verbreiteten (die 
Reformation Kaiser Sigismunds 1438). 
Die Sitten gerieten bei dem Mangel geistlicher Leitung in 
tiefen Verfall. Genußsucht und Trunksucht, Luxus und Grausam¬ 
keit bei den höheren Ständen, Arbeitsscheu und Bettelei bei den 
niederen sind die hervorragendsten Eigenschaften dieses Zeitalters. 
In der Kunst und Wissenschaft begann im 13. Jahrhundert 
in Italien eine neue Richtung, die Renaissance, welche an Stelle 
des kirchlichen Idealismus das allgemein Menschliche setzte und ihr 
bewundertes Vorbild in den litterarischen und künstlerischen Über¬ 
resten des Altertums fand. Die Dichter Dante (f 1321, Gött¬ 
liche Komödie), Petrarca (1304 — 1374, Sonette an Laura), 
Bocaccio (Decamerone) wurden die Begründer einer neuen italieni¬ 
schen Litteratur, die Fürstenhöfe Italiens, namentlich die Medicäer 
Cosimo und Lorenzo il Magnifico und Papst Nicolans Y., wett¬ 
eiferten in der Pflege der humanistischen Studien, die Kunst er¬ 
reichte durch die großen Meister der slorentinisch-römischen 
Schule, Leonardo da Vinci (Abendmahl), Michelangelo Buo- 
narotti (Statuen des David und Moses, jüngstes Gericht, Kuppet 
der Peterskirche) und Rafael Santi (Stanzen, Madonna bellet 
Sedia und Sixtina), und die der venetianischen und lombar¬ 
dischen Schule, Tizian (Zinsgroschen) und Eoreggio (heilige 
Nacht), ihren Höhepunkt. 
In Deutschland stieß der Humanismus zunächst auf den 
Widerstand einer reich entwickelten volkstümlichen Litteratur und
	        
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