Karls V. Persönlichkeit und Ziele. Der Reichstag zu Worms.
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ein Exemplar der päpstlichen Bulle nebst dem kanonischen (Kirchen-) Recht
vor dem Elstertore zu Wittenberg den Flammen und bekundete damit
öffentlich seine Lossagung von der römischen Kirche. Nun wurde der 1520
Kirchenbann über Luther und seine Anhänger ausgesprochen. 1
Der Fortgang der Reformation (bis 1544) und ihr Verhältnis zu Karl V.
1. Karls V. Persönlichkeit und Ziele. Karl V. (1519—1556),
geboren (1500) zu Gent und seinem Wesen nach Niederländer, wurde
beim Ableben Maximilians I. hauptsächlich deshalb zum Kaiser gewählt,
weil er ein Habsburger und als Erbe der österreichisch-burguudischen Ge¬
biete der mächtigste deutsche Reichsfürst war. Körperlich klein und schwäch¬
lich, aber von eiserner Willenskraft und unerschütterlichem Pflichtgefühl,
entwickelte er sich frühzeitig zu einem Meister der Selbstbeherrschung und
der diplomatischen Künste; am besten gefiel ihm das spanische Wesen mit
seinem Stolze und seiner Gemessenheit. Da Karl auch Spanien mit dessen
Nebenländern besaß (Zweit. Hauptt. S. 172), nahm er tatsächlich eine
Weltstellung ein. Diese wollte er nach dem Wahlspruche „Plus!“ benutzen,
um seine Macht im Reiche möglichst zu stärken, die mittelalterliche Kaiser¬
herrlichkeit wieder aufzurichten und die Einheit der Kirche als deren
Schirmherr zu verteidigen. Dabei geriet Karl mit den deutschen Fürsten,
besonders den protestantischen, ferner mit Frankreich und den Türken
in Zwiespalt.
2. Der Reichstag zu Worms. Der neugewählte Kaiser berief seinen
ersten Reichstag auf deutschem Boden nach Worms. Hier übertrug 1521
er seinem jüngeren Bruder Ferdinand die Regierung der deutsch¬
habsburgischen Erbländer (ohne die burgundisch-niederländischen) und
ließ behufs Beilegung der kirchlichen Wirren in Deutschland Luther vor
den Reichstag laden. Der Vorgeladene erschien unter Zusicherung freien
Geleites, erklärte jedoch nur dann widerrufen zu können, wenn er „durch
Zeugnis der Schrift oder aber durch offenbare Gründe überwunden"
würde. Als er dann unbehelligt abgereist war und mehrere reformfreund¬
liche Fürsten den Reichstag verlassen hatten, wurde durch das Wormser
Edikt über Luther und seine Anhänger die Reichsacht verhängt.
Indes war Luther bereits in Sicherheit. Verabredungsgemäß hatte ihn
fein Landesherr Friedrich der Weise während der Heimreise überfallen und heim¬
lich auf die Wartburg bringen lassen. Dort verlebte er als „Junker Jörg"
fast ein Jahr und arbeitete eifrig an einer neuert1) Bibelübersetzung (vollendet
1534), die auf den Fortgang der Reformation sowie aus die Bildung einer ein¬
heitlichen deutschen Schriftsprache den größten Einfluß ausübte. — Doch sah
2) Deutsche Bibelübersetzungen gab es übrigens schon vorher, so in Straßburg,
Nürnberg und anderwärts.
Lorenz, Geschichte für Gymnasien III. 2