132 IX. Oncken, Die Trennung von Österreich und der preußische Erbkaiser.
mußte jetzt alle Kraft zusammennehmen für den letzten Entscheidungs¬
kampf.
In der langen, stürmischen Verhandlung, die sich nun erhob,
stellte sich am Ende heraus: für den preußischen Erbkaiser sprach, von
allem übrigen abgesehen, eine Thatsache, der man sich schließlich beugen
mußte, ob man wollte oder nicht: das war die Unmöglichkeit aller
Gegenvorschläge. Man hatte schließlich nur die Wahl, entweder
auf das Reich selber zu verzichten, oder den preußischen Erbkaiser
anzunehmen, wie sauer einem das auch ankommen mochte.
Drei dieser Gegenvorschläge seien hier erwähnt. Der eine lautete:
„Die Ausübung der Regierungsgewalt wird einem Reichsoberhaupt
übertragen. Wählbar ist jeder Deutsche." Der andre forderte
ein aus fünf Gliedern bestehendes Direktorium und ein dritter einen
regelmäßigen Wechsel in der Oberhauptswürde (Turnus). Der Ab¬
geordnete Schüler (Oberappellationsgerichtsrat in Jena) sagte von
Direktorium und Turnus sehr treffend, jenes sei die Anarchie neben
einander, dieses die Anarchie nach einander, eines wie das andre
aber das Gegenteil von Macht und Einheit. Ein Erbkaiser als Reichs¬
oberhaupt würde nach seiner Meinung manches für sich haben; mit
dem demokratischen Prinzip, dem er huldige, sei derselbe nicht unver¬
einbar. „Ein persönlicher, sichtbarer, bleibender Repräsentant der
Staatsidee und der Volkseinheit, dessen Würde von Geschlecht zu
Geschlecht sich forterbt, giebt einen Mittelpunkt, an welchen der sinn¬
liche Mensch sich leichter anklammert als an die abstrakte Idee."
Aber in Deutschland würde ein erblicher Kaiser an der Spitze von 34
erblichen Monarchen eine „Unform" sein und einem einzelnen Fürsten¬
haus eine Schirmherrschaft, ein Protektorat verleihen, das er nun ein¬
mal Haffe aus dem Grunde feiner Seele. Ganz anders werde das
fein bei feinem Antrage: „Wählbar ist jeder Deutsche." „Dieses
Minderheitserachten sieht nicht daraus, ob der Inhaber der vollziehen¬
den Gewalt ein Preuße, ein Österreicher, ein Bayer, ein Schwarzburg-
Sondershanser oder Lippe-Detmolder fei: auch sieht es nicht darauf,
ob er ein Fürst oder Bürger sei, sondern bloß darauf, daß es der
beste Mann fei, den man in Deutschland finden kann, finde man
ihn dann in Potsdam oder Hesfen-Homburg. Alle Stammes- und
Dynastieeneiferfucht hört dann von selbst auf. Es ist kein Raum
mehr dafür da. — Wir wollen keine Erblichkeit der höchsten Gewalt,
wir wollen nicht einen finsteren, steinernen Dom bauen, der uns von
der freien, frischen Natur abtrennt, sondern ein leichtes, bewegliches