Full text: Lebensbilder aus der neueren Geschichte

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Luther auf dem Reichstage zu Worms. 
Luther nahe herantreten und fragte ihn, indem er auf 
die Bücher wies, ob er bekenne, dieselben geschrieben zu 
haben. Luther musterte sie, sah, daß es seine Schriften 
seien, wunderte sich, wie man die alle zusammengebracht 
habe, und antwortete: „Ja." Fragt jener, ob er ihren 
Inhalt widerrufen wolle, antwortet Luther, da es sich 
um der Seelen Seligkeit handle, bitte er demütiglich um 
einen Tag Bedenkzeit. Das sagte er erst lateinisch, daraus 
deutsch, sprach aber mit so leiser Stimme, daß man ihn 
am anderen Ende des Saales nicht vernehmen konnte. 
Nach Erwägung mit dem Legaten, den Fürsten, Bischöfen 
und seinen Räten gewährte ihm der Kaiser diese Frist aus 
Gnaden. Darauf ging Luther hinaus, die Versammelten 
erhoben und zerstreuten sich. 
Das also war der Mann, der so kühn gegen den Papst 
geschrieben hatte! Die meisten hatten ihn sich kühner ge¬ 
dacht, schien er doch befangen, ja furchtsam, als er in der 
Mitte des Saales stand und so leise redete! Der Kaiser 
sagte geringschätzig: „Der soll mich nicht zum Ketzer 
machen!" Dem Kardinal hatte man von den dämoni¬ 
schen Augen des Mönchs geredet, er lächelte jetzt über 
den ungeschickten Mann. 
Am Donnerstag den 18. April stand Luther zum 
zweitenmal vor dem Kaiser. Wieder mußte er zwei Stun¬ 
den inmitten eines dichten Menschengewühles warten, 
sprach aber mit Freunden heiter und frei von jeder Bangig¬ 
keit. Gegen Abend um 6 Uhr ward er vorgelassen. 
Wieder ward dieselbe Frage an ihn gerichtet, er ant¬ 
wortete in zusammenhängender Rede, erst lateinisch, dann
	        
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