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Fünfte Periode, 31 v. Chr. — 476 n. Chr.
samer Einrichtungen getroffen, hat die Künste des Friedens
vielfach gefördert und hat zugleich während dieser ganzen Zeit
eine Milde bewiesen, die nach den rücksichtslosesten Grausam¬
keiten seiner früheren Jahre um so überraschender, aber auch
um so erfreulicher ist. Es ist thöricht, darüber zu streiten, ob
diese Milde bei ihm Natur war oder Sache kluger Berechnung
(man hat sie sogar Heuchelei genannt). In dem Charakter des
Augustus bilden allerdings Vorsicht und Klugheit besonders her¬
vorstechende Züge, wie wir bereits bei seinem ersten öffentlichen
Auftreten nach Cäsars Tode an dem 19jährigen Jüngling wahr¬
genommen haben, und es mag sein, dass die während seiner
ganzen Regierung von ihm bewiesene Milde mehr das Resultat
dieser Vorsicht und Klugheit, als einer natürlichen Herzensgüte
war: wird man sie aber deshalb geringer anschlagen dürfen?
Wir besitzen in einem der merkwürdigsten Denkmäler des römi¬
schen Alterthums, dem sogenannten Monument von Ancyra, ein
von ihm selbst verfasstes, lediglich die Thatsachen auszählendes
Verzeichniss seiner Regierungshandlungen, welches eine grosse
Menge verdienstlicher Einzelnheiten enthält und in seiner ganz
objectiven Haltung auf den Leser den günstigsten Eindruck
macht. Auf der andern Seite ist freilich auch nicht in Abrede
zu stellen, dass er im Interesse seiner Herrschaft während seiner
ganzen Regierung, besonders aber in der zweiten Hälfte derselben,
wenn auch ohne gewaltsame Mittel, Alles, was seinen Plänen
und Absichten nicht entsprach, niederzuhalten und zu erdrücken
bemüht war und dass daher die freiere, selbstständigere Bewegung
auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens, auch auf denen der
Literatur immer mehr erstarb,*) ferner dass, vielleicht mehr
durch den Zwang der Verhältnisse als durch seine Schuld, inso¬
fern eine gewisse Unwahrheit in das gesammte Staatsleben ein¬
drang, als er seine im Wesentlichen unbeschränkte Herrschaft
durchweg unter dem Schein der republikanischen Formen ausübte.
Nach Beendigung des Krieges und Regulierung der Verhält¬
nisse Aegyptens hielt sich Augustus im Winter 30/29 und einen
*) Tac. Dial. 38: mediis divi Augusti temporibus longa temporum quies
et continuum populi otium et assidua senatus tranquillitas et maximi ptin->
cipis disciplina ipsam quoque eloquentiam sicut omnia pacaverat.