Full text: Römische Geschichte in kürzerer Fassung

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I Prosa. 
zum Hofthore herein. Das Hühnervolk flog vor den wirbelnden 
Trommeln wieder auf die Bäume und Dächer, die Amtmännin flüch— 
tete sich mit ihren Knaben hinter einen ganz gebliebenen Jalousie⸗ 
laden im zweiten Stock des Hauses, nur der Amtmann blieb mit 
einem Aktenfascikel unter dem Arme ruhig stehen. Diese Rotte hielt 
sich nicht, wie ihre Vorgänger, bei Kleinigkeiten auf, sondern ver— 
langte den Schlüssel zum Kassengewölbe. Der stecke, erwiderte der 
Amtmann, an der Thür, die Kasse aber sei seit längerer Zeit auf 
dem Marienberg in Würzburg, und es fehlte nicht viel, daß er hin— 
zugesetzt hätte „allez- la chereher!“ Aber der französische Offizier 
verstand den deutschen Mann und beschloß nun, auf keinen Fall 
leer wegzugehen, sondern entweder Geld oder ein Menschenleben mit— 
zunehmen. 
Doch zu dem letzteren bedurfte es wenigstens einer Form. Zwei 
Gemeine traten zu dem Amtmann, einer zur Rechten und einer zur 
Linken, und ihr Lieutenant setzte sich vor ihm hin, den Brunnentrog 
als Richterstuhl benutzend. Nur der Ankläger fehlte noch. Auch 
dieser trat alsbald hinter dem dritten Glied der Rotte hervor, und 
zwar in der Person eines Vogelfängers aus dem nahen M. Diesen 
hatte der Amtmann im Frühlinge zuvor für das Fangen von Nachti⸗ 
gallen drei Tage lang mit Wasser und Brot bewirtet und dann mit 
einem Trinkgelde entlassen, das gerade soweit reichte, daß auf einen 
gefangenen Vogel ein Stück kam. Dieser würdige Mann bezeugte, 
daß der Beamte immer in Verbindung mit den Osterreichern gestanden 
sei und erst vor einer Viertelstunde mit einigen ungarischen Husaren 
geredet habe. 
Dies war dem Richter auf dem Brunnentroge schon genug, und 
sein Urteil ,à la mort!“ setzte wie ein Kommando-Wort alles in 
Bewegung. Die zwei zur Rechten und Linken rissen dem Amtmann 
den Schlafrock vom Leibe und banden ihm die Hände auf den Rücken. 
Fünf Mann aus dem ersten Gliede luden ihre Gewehre, die noch 
von einem Scharmützel mit den Osterreichern rußig waren. Der 
kleine Tambour, der schon mehreren den letzten Marsch geschlagen 
hatte, steckte das Sacktuch des Verurteilten unter seine Trommel, um 
sie zu dämpfen, und so ging es im Totenmarsch durch den Haus⸗ 
garten auf die hinter demselben liegende Wiese hinaus. 
Schon bei dem Laden der Gewehre fingen die Knaben des Amt— 
manns an zu schreien, was sie konnten; seine Gattin aber, statt, wie 
zu erwarten war, mit einzustimmen, war auf einmal wie von einem
	        
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