Full text: Deutsche, insbes. brandenburgisch-preussische Geschichte vom Ausgange des Mittelalters bis auf Friedrich d. Gr. (Teil 3)

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sein Glück zu finden. Endlich kehrte er nach Deutschland zurüek 
und geriet in Frankfurt am Main unter die Werber, welehe ihn 
überredeten, kaiserliche Dienste zu nehmen, und ihn nach Wien 
transportierten. Da er aber schwächlich und fast bestãndig krank 
war, so liess man ihn nach einigen Jahren vieder laufen, wohin 
er wollte. Fast nackt und bloss kam er nach Sachsen, um daselbst 
wieder Arbeit zu suchen; allein da ihn in seinem elenden Anzuge 
niemand zur Arbeit annehmen wollte, s0 mulste er endlich bettela. 
Pines Abends spät sprach er in einem Dorfe (es war gerade 
an einem Sonnabende) bei einer Schmiede auch um einen Zehr- 
pfennig an. Da dünkte den Meister, welcher mit vier Gesellen vor 
der Esse arbeitete, dass dis Stimme des Ansprechenden ihm sehr 
bekannt sei. Er nabm die Hängelampe in die Hand, schaute dem 
Boettler ins Gesicht, und — „Jo Bruder, bist du's, oder bist du's 
nicht?“ riefen beide fast zu gleicher Zeit; und in der That waren 
es die beiden Kameraden, die seit der Trennung in Warschau nichts 
mehr voneinander gehört hatten. Der Schmied, weleher unterdessen 
in dieser Schmiede in Arbeit gestanden und durch die Heirat 
mit der Witwe, der sie gehörte, reich geworden war, war ganz 
ausser sioeh vor Freuden. Er herzte und Lüsste den Schneider und 
schämte sich seiner nicht, obgleich er ein zerlumpter Bettler war. 
Er führte ihn mit lautem Jubel in seine Stube, drückte ihn in den 
Grossvaterstuhl am Ofen nieder, sprang auf einem Beine wie ein 
Knabe, und alle seine Hausgenossen sperrten vor Verwunderung 
dĩs Augen weit auf. „Lene!“ sprach er zu seiner Frau, „geschwind 
springe hinauf und hole ein feines Hemd und meinen Sonntags- 
staat herunter, dalss der gute Freund da sich anders ankleiden 
kann!l“ Der Schneider wollte allerlei dagegen einwenden; aber 
der Meister hielt ihm den Mund zu und gagte: „Schweig und 
sprich mir kein Wort dagegen! Du hast's wobl um mich verdient, 
dass ich mein bisschen Hab und Gut mit dir teile.“ Es half nichts, 
der Schneider musste sich putzen und aus einer langen Pfeife 
rauchen. Der Meister gebot ihm, sich gerade so zu pflegen, als ob 
er in seinem eigenen Hause wäre, und nachdem er in möglichster 
Eile sein Tagewerk vollends geendet hatte, setzte er sich mit ilim 
zu Tische und liess alle seine Leute hereinkommen, dass sie den 
Fremden nun recht genau ansehen mussten. Dabei erzählte er 
ihnen dann, wer der Fremde eigentlich sei. und was es mit ihrer 
beiderseitigen Freundschaft für eine Bewandtnis habe. Da hatten 
alle eine herzliche Preude über den Ankömmling, besonders die 
Fraus vom Hause, die ihren Mann sehr liebt und oft dem
	        
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