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Provinzen, aus Braunschweig und Kurhefsen, errichtete Napoleon das
Herzogtum Westfalen und gab es seinem Bruder Hieronymus.
So war Preußen zertreten, geknechtet und geplündert und mußte
noch 150,000 Mann Franzosen halten, bis die Kriegssteuern be¬
zahlt seien.
Die Franzosen verwalteten das Land, erhoben alle Steuern, be¬
raubten die Witwen- und Waisenkassen, die Kirchen- und Schul-
stiftungen. Der König schickte sein goldnes Tafelgerät in die Münze,
und die Königin ließ ihren Brillantschmuck verkaufen, um die Kriegs¬
steuer aufzubringen. Nur ihre Perlen behielt die Königin. „Sie sind
mir zu lieb," sagte sie zu einer Jugendfreundin; „Perlen bedeuten
Thränen, und ach, ich habe deren schon so viel geweint!" Erst gegen
Ende des Jahres 1808 zogen die Bedrücker ab.
71. Freiherr vom und ;um Stein.
a) Heinrich Friedrich Karl, Freiherr von Stein, der Sohn des
Kurmainzer Geheimerats, Karl Philipp von Stein, war im Jahre
1757 zu Nassau an der Lahn aus der Burg zum Stein geboren.
Nach einer sorgfältigen Erziehung im elterlichen Hause studierte er
mit großem Fleiße Rechts- und Staatswissenschaft, trat dann unter
Friedrich dem Großen in preußische Dienste und bekleidete die ver¬
schiedensten Stellen mit seltner Umsicht und größter Gewissenhaftig¬
keit. Stein war ein Mann voll edlen Stolzes, echten Freiheitsinns
und unerschütterlicher Wahrheitsliebe. Als Christ, der sich in Gottes¬
furcht beugte, kannte er keine Menschenfurcht, und im festen Ver¬
trauen, daß das Gute in der Welt doch den Sieg behalte, bekämpfte
er das Böse unerschütterlich und furchtlos. Seiner Feuerseele ent¬
sprach auch seine äußere Erscheinung. Tie Gestalt war gedrungen,
die Stirne breit und gewölbt, und das Auge frei. Schon vor dem
Unglücksjahre 1806 hatte er seine warnende Stimme erhoben, war aber
abgewiesen und nach der Niederlage bei Jena und Auerstädt in Un¬
gnade entlassen worden, weil er die Einrichtungen, die der König
getroffen, als nachteilig bezeichnete. Die Not zwang den König Fried¬
rich Wilhelm III., zu Stein seine Zuflucht zu nehmen. Er be¬
rief ihn zum Minister. Bald lernte der König die vorzüglichen
Eigenschaften Steins kennen und ging auf dessen Vorschläge ein.
Mit allem Eifer begann Stein die Neugestaltung Preußens. Er
suchte nicht bloß durch Ersparung, Anleihen und Verkauf der könig¬
lichen Güter augenblickliche Hilfe zu schassen, sondern er bewirkte auch,
daß eine Menge veralteter Gesetze beseitigt wurde. So wurde
die Erbunterthänigkeit aufgehoben. Der Bauer war nicht mehr an