Full text: Bilder aus der vaterländischen Geschichte für hessische Schulen

15 
Schwertmagen war so viel als männlicher, Spillmagen (von Spille — 
Spindel) so viel als weiblicher Verwandte. 
foj Besonders hervorzuheben ist die Sittenreinheit und keusche Zucht 
der Deutschen. Tacitus gibt ihnen das Zeugnis, daß gute Sitten bei 
ihnen mehr vermöchten, als bei anderen die besten Gesetze. Unter Auf¬ 
sicht des Vaters wuchs der Knabe heran und lernte von ihm das Kriegs¬ 
handwerk, unter Aufsicht der Mutter erblühte die Tochter. Sitz wurde in 
Einfachheit erzogen und in allem unterrichtet, was sie später als tüchtige 
Hausfrau nötig hatte. Beim Eintritt in die Ehe, welche nicht vor dem 
zwanzigsten Jahre erfolgte, brachte die Frau kein Vermögen mit, dagegen 
gab der Mann seiner Frau am Morgen nach der Ehe ein besonderes Eigen¬ 
tum, das Morgengabe hieß. Die Verheiratung geschah öffentlich an der 
Mahlstatt, weshalb das Wort „vermählen". 
c) Die alten Deutschen hatten keine geschriebene Gesetze, sondern 
solche, die sich mündlich forterbten. Wer sich gegen Leib, Leben, Gut 
und Freiheit verfehlte, mußte Strafe zahlen. Man nannte sie Wergeld. 
Dasselbe wurde an die Beschädigten oder deren Verwandten entrichtet. 
Durch dieses Wergeld ward der furchtbare Brauch der Blutrache einiger¬ 
maßen gemildert. Feigheit in der Schlacht und Landesverrat bestrafte man 
mit dem Tode. 
Der Beweis vor Gericht wurde durch Zeugen geführt. Waren 
keine vorhanden, so mußte ein Eid geleistet oder die Unschuld durch 
Gottesurteile (Ordale), die im Zweikamps, oder in Feuer- oder Wasser¬ 
probe bestanden, bewiesen werden. Bei der Feuerprobe wurde ein 
glühendes Eisen angefaßt, oder der Angeklagte mutzte barfuß darüber¬ 
gehen. Die Wasserprobe bestand darin, daß der Beklagte, ins Wasser ge¬ 
taucht, nicht schwimmen durfte, oder daß seine Hand in siedendes Wasser 
gesteckt wurde. Man ging nämlich von dem falschen Glauben aus, Gott 
werde dem Schuldlosen beistehen und ihn unversehrt erhalten. 
Götterglaube und religiöse Gebräuche der Deutschen. 
a) Die Deutschen verehrten die Natur, ihre Kräfte und Erschei¬ 
nungen in geheiligten Hainen an rauschenden Strömen und in schauer¬ 
lichen Waldschluchten. Sie unterschieden sich von dem Naturdienste an¬ 
derer Völker durch den lebhaften Glauben an die Unsterblichkeit. Als 
obersten Gott verehrten sie Wodan, der durch ein himmlisches Fenster auf 
die Erde herabsah. Er war einäugig. Eines seiner Augen gab er einst 
dem Riesen Mimer, dem Hüter der Quelle der Weisheit, für einen Trunk aus 
der Quelle. Auf seinen Schultern saßen zwei Raben, Hugin und Munin, 
Gedanke und Erinnerung. Im brausenden Wetter fuhr er hoch zu Roß 
durch die Luft, gefolgt von einem wütenden Heere. (Sage vom wilden 
Jäger.) Er war aber auch der Gott, der den Acker segnete, den Wunsch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.