Cajus Gracchus. 223
3. Cajus Gracchus.
Die Volkpartei gewann dagegen eine kräftige Stütze, als
der jüngere Bruder des Ermordeten, Cajus Sempronins
Gracchus, aus Sardiuieu, wo er das Amt eines Quästors
(Verwalter des öffentlichen Schatzes, und Oberaufseher des
Archivs) verwaltet hatte, nach Rom zurückkehrte und ebenfalls
zum Tribunale gelangte. Er stand feinem Bruder au
Talenten nicht nach und übertraf denselben noch durch seine ge¬
waltige Beredsamkeit, deren Feuer feine Freunde zur Begeisterung
entflammte und oft selbst seine Feinde zu Thränen rührte.
Aber ihm fehlte des Tiberins ruhige und besonnene Haltung;
daher verfolgte er das Ziel, für welches er gestorben war, mit
der leidenschaftlichsten Heftigkeit uud man erkannte aus seiner
ganzen Handlungsweise, daß es ihm nicht nur darum zu thun
war, das Volk in seinen Rechten zu schützen, sondern auch, für
die Ermordung seines Bruders an dessen Todfeinden, den Opti-
maten, Rache zu nehmen. Die Erfolge des Tiberins genügten
ihm nicht; er wollte noch weiter gehen und nachdem er das
Ackergefetz erneuert, schlug er durch ein neues Gesetz, welches
die Gerichtsb arkeit dem Senate entzog und dieselbe den
Rittern übertrug, jenem eine empfindliche Wunde und erwarb sich
dagegen die Gunst des Volkes in hohem Grade durch das
Korugesetz, welches monatliche Getreideverteilungen unter das¬
selbe verordnete. Letzteres war übrigens, da es die Aufmerksam¬
keit hemmte, in seinen Wirkungen sehr verderblich.
Zwei Jahre nach einander gelangte Cajus zum Tribunale,
als es dem Senate, der bisher alles vergebens aufgeboten hatte,
einen so gefährlichen Gegner den Einfluß auf das Volk zu ent¬
ziehen, endlich gelang, durch ein so schlaues Mittel dieses Ziel
zu erreichen. Er gewann nämlich den Tribun Livins Drnsns,
bewog ihn, in der Beförderung der Volksinteressen noch weiter
zu gehen als Cajns und erteilte allen Anträgen desselben seine
Genehmigung. Durch ein solches Verfahren mußte in dem
Volke der Glaube erzeugt werden, daß der Senat blos aus per¬
söhnlicher Abneigung gegen Gracchus auf seinem Widerstände
beharre und sich nachgiebig zeigen werde, sobald jener vom Tri¬
bunale entfernt sei. So sah sich Cajus bald der Guust des
wankelmütigen Haufens beraubt und für das dritte Jahr
(121) erhielt er das Tribnnat nicht wieder, während zu seinem Un¬
glücke sein heftiger Gegner Op im ins znm Consul gewählt
wurde. Cajus war nun bloßer Privatmann, und neue Unruhen,
die bei der Erbitterung der Parteien unvermeidlich waren, mußten