Full text: Die Neuzeit (Band 3)

50 Karl V. Die Reichsritter. Die Städte. 
heit Salomonis und Daniels wünschen, um dem Reiche wieder 
Ruhe unb Frieden zu geben und in der Kirche eine Reformation 
an Haupt und Gliedern durch die Kirche herbeizuführen. 
„Es war ein junges Haupt, das man jetzt mit der ersten 
Krone der Christenheit schmückte. Karl war eine schmächtige 
Gestalt mittlerer Größe, mit seelenvollem, großem, fast träume¬ 
rischem Auge, blondem Haar, länglichem, weißem, freundlichem 
Antlitz mit der habsburgischen Lippe, mit feiner und hoher Stirne; 
— eine langsam sich entwickelnde, aber viel verheißende Natur, 
zaudernd, lange überlegend, aber dann zäh in der Durchführung 
des reiflich erwogenen Planes." Ging es zur Schlacht, fo ließ 
sich Karl unter Zittern die Rüstung anlegen; aber im Gewühle 
des Kampfes leuchtete er allen voran an Kühnheit und Todes¬ 
verachtung. Meister in allen Künsten der Jagd, des Turniers 
und des Krieges, war er zugleich ein Freund und Gönner der 
Künste und Wissenschaften, wohl bewandert in der Geschichte 
und außer der lateinischen fünf lebender Sprachen kundig. 
Im deutschen Reiche selbst sah es wenig ermutigend aus. 
Die mächtigeren Stände strebten nach Erweiterung und Be¬ 
festigung ihrer Herrschaft und ihrer Länder und suchten aus 
diesem Grunde einerseits der Kaisergewalt engere Grenzen zu 
ziehen und andererseits die minder Mächtigen zu verschlingen. 
Die Reichsritterschaft war durch die Teilung des Grund¬ 
besitzes vielfach verarmt; der Reiterdienst des Adels hatte durch 
die Anwendung des Schießpulvers an Geltung verloren; der 
niedere Adel sah sich nicht nur von der Teilnahme an der Regie¬ 
rung ausgeschlossen, sondern auch durch die Errichtung eines 
ewigen Landfriedens an der Fortführung des räuberischen Lebens 
gehindert, das für viele von ihnen das einzige Existenzmittel 
geworden. Dies alles hatte unter einem großen Teil des nie¬ 
dern Adels eine dumpfe Unzufriedenheit hervorgerufen, die sich 
nach und nach zu einem leidenschaftlichen Ingrimm gegen die 
im Reiche bestehenden Zustände steigerte und die Reichsritter¬ 
schaft nur allzu geneigt machte, sich an allein zu beteiligen, was 
eine durchgreifende Umwälzung herbeiführen konnte. Ganz be¬ 
sonders mußte das Auftreten Luthers bei dem niedern Adel um 
deswillen Anklang finden, weil feine Lehre eine erwünschte Haud- 
habe zu feindlichem Vorgehen gegen die höhere Geistlichkeit dar¬ 
bot, deren Reichtümer ihm als eine leicht zu erwerbende Beute 
verlockend vor Augen schwebten. — Aus den Städten war der 
Friede gewichen. Während sie sich wegen ihrer Reichtümer von 
den Fürsten angefeindet und von der Reichsritterschaft mit unver¬ 
söhnlichem Hasse verfolgt sahen, herrschte auch im Innern Zwietracht
	        
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