Full text: Die neueste Zeit (Band 4)

46 Die Emancipation der Katholiken. 
England überhaupt nicht möglich gewesen. Der katholische Ver¬ 
ein gab Irland eine neue Gestalt; er setzte eine neue Regierung 
Irlands neben die bestehende gesetzliche, und während der Ir¬ 
länder sich der letzteren aus Pflicht und Gehorsam unterwarf, 
unterwarf er sich dem ersteren aus freiem Entschlüsse. Der ka¬ 
tholische Verein umfaßte und beherrschte die gesamte katholische 
Bevölkerung; er übte seinen Einfluß durch die Presse, Versamm¬ 
lungen, Petitionen. Agitationen, durch die Macht der öffentlichen 
Meinung aus, die niemals so mächtig, so konsequent, so wirk¬ 
sam gewesen ist, als in Irland. Mit dem erfinderischen Scharf¬ 
blicke des geübten Advokaten wußte O'Connell alle Schwierig¬ 
keiten zu überwinden, welche England dem Verein, der ihm na¬ 
türlich ein stechender Dorn im Auge war, entgegenstellte. Seine 
Ausdauer war, wie seine Erfindungsgabe, unbesiegbar; hundert¬ 
mal niedergeworfen und geschlagen, erhob er sich hundertmal 
von neuem, und mit erhöhtem Ansehen. Politische Bewegungen 
und Stürme verzehren die hervorragenden politischen Charaktere. 
O'Connell, wenn seine Arme sanken, wenn der Zauber seines 
Namens ihn verließ, kehrte nach Irland zurück, stürzte sich tri 
die Wogen der irischen Bevölkerung und tauchte jedesmal er¬ 
frischt und neugestärkt wieder auf. 
Im Jahre 1825 ward O'Connell Gelegenheit gegeben, vor 
einem Unterhauscomits zur Untersuchung des Zustandes in Ir¬ 
land, die Klagen und Leiden seiner Landsleute offen darzulegen. 
Wenige Jahre darauf (1828) wurde er selbst ins Parlament 
gewählt. Nun glaubte das Toryministerium Wellington- 
Peel, in die Alternative gestellt, die gerechten Forderungen der 
irischen Katholiken zu erfüllen, oder einen Bürgerkrieg herauf¬ 
zubeschwören, um so mehr zu gunsten der Katholiken auftreten 
zu müssen, als es sich den billiger denkenden Whigs gegenüber 
am Ruder behaupten wollte; Peels Beredsamkeit verschaffte dem 
Gleichstellungsgesetz den Sieg im Unterhause. Wellington, der 
Sieger von Waterloo, verteidigte es im Oberhause (1829), 
am 13. April erhielt es die königliche Bestätigung. Die Ka¬ 
tholiken erhielten das Recht, ins Parlament gewählt zu werden 
und an dem Staatsdienste teilzunehmen, indem ein anderer, dem 
katholischen Glauben nicht widersprechender Staatsbürgereid ver¬ 
langt wurde. Indessen war die Gleichstellung doch noch keine 
vollständige; die Katholiken hatten nur durch die Zulassung zu 
den Staatsämtern und zu dem Parlamente eine etwas freiere 
Bewegung gewonnen. Namentlich war für Irland erst ein 
schwacher Anfang zur Herbeiführung besserer Zustände gemacht.
	        
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