Full text: Quellenbuch zur Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts für höhere Lehranstalten

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Aus dem alten Preußen. Vor dem XÜfiter Frieden. 
des Marschall Lannes, welchen der Obrist Massenbach 3) persönlich ge¬ 
sprochen hat, in mehreren Kolonnen gegen uns in Anmarsch sey. — Weiß 
jemand von Ihnen, meine Herren Generale, Brigadiere, n. s. w. ein Mittel 
zu unserer Rettung, der trete vor und theile es mit." 
Alle trauerten, alle schwiegen, hin und wieder erhob sich ein leises 
Gemurmel; niemand trat vor. 
Der Fürst fuhr fort: „Ich beschließe mit dem heutigen Tage meine 
militärische Laufbahn. Ich werde Sr. Majestät, unserem Könige, von 
allem Vorgefallenen einen getreuen Rapport abstatten, und ihn bitten, mein 
Verhalten vor einem Kriegsgerichte auf das strengste prüfen zu lassen. 
Ich glaube den Schritt, den ich jetzt thun werde, vor Gott und meinem Ge¬ 
wissen verantworten zu können und meyne, daß mein bisheriges Leben mich 
von der Nothwendigkeit freispricht, durch die unnütze Aufopferung von 
mehreren tausend Menschenleben, meinen persönlichen Ruhm auf eine 
dennoch zweideutige Weise zu begründen." 
Er machte die Versammlung sodann mit den uns schon bekannten Be¬ 
dingungen bekannt, unter denen der Prinz Murat ihm eine Kapitulation 
angetragen habe. Der General Belliard bekräftigte die Wahrheit derselben, 
und sprengte seinem Feldherrn entgegen, ihn vom erwünschten Erfolge zu 
benachrichtigen. 
Eine allgemeine Bestürzung hatte sich unter den Offizieren verbreitet, 
so wie das entscheidende Wort: Kapitulation, den Lippen des Fürsten ent¬ 
flohen war. Unter Schluchzen und Verwünschungen öffnete sich der Kreis, 
um die Schreckensnachricht den Untergebenen zu hinterbringen. Ein jeder 
überließ sich laut dem Ausbruche der Leidenschaft und der Verzweiflung. 
Die Soldaten weinten, fluchten, schlugen sich mit geballter Faust ins Ge¬ 
sicht, schimpften auf ihre Offiziere, warfen die Gewehre von sich, und 
streuten die Patronen umher. 
Die Hauptleute von Bornstedt und Löwenfeld von der Garde, er¬ 
munterten ihre Kameraden und Untergebene, sich aneinander zu schließen, 
um sich mit Gewalt von der Schande zu befreien. Eine Menge zeigte sich 
dazu bereit, aber es fehlte an Einheit, und bewährte sich mehr als eine 
flüchtige Aufwallung, wie als ein bestimmter besonnener Entschluß. Der 
Major Oppeu, (Kommandeur des Dragoner-Regiments von Wobefer), die 
Rittmeister von Börstel und von Bechtolsheim ritten bey der Kavallerie 
herum, um sie zu bewegen, sich mit ihnen durchzuschlagen, allein die 
Eskadronchefs erklärten einmüthig, daß die Pferde zu ermüdet wären, um 
ein solches Wagestück unternehmen zu können. — 
Die Gewehre wurden darauf in Haufen gestellt, aber niemand konnte 
sich entschließen, sie zu verlassen. Nach wiederholten Aufforderungen
	        
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