1552
162 Sechster Zeitraum. Vom Beginn d. Reformation bis zum Westfälischen Frieden.
Von seinen Glaubensgenossen mit Mißtrauen beobachtet und erbittert über
die lange und strenge Haft seines Schwiegervaters, des Landgrafen Philipp
von Hessen, verband sich der Kursürst Moritz mit andern protestantischen
Fürsten und unterhandelte mit dem französischen Könige Heinrich II. über ein
Bündnis gegen den Kaiser. Die Verschworenen gingen so heimlich
zu Werke, daß Moritz mit der Vollstreckung der Reichsacht gegen
Magdeburg betraut wurde. Nachdem der Kurfürst die Stadt ein¬
genommen hatte, behielt er sie in seinem Besitz. Wenige Wochen später
kamen die Unterhandlungen mit Heinrich II. zum Abschluß (Januar 1552):
der König von Frankreich sollte die protestantischen Fürsten in dem bevor¬
stehenden Kriege unterstützen und dafür das Reichsvikariat ^ über
die lothringischen Bistümer und Städte Metz, Toul und
Verdun erhalten.
-Im Frühling des Jahres 1552 erschienen die Franzosen und die
verbündeten Fürsten fast gleichzeitig im Felde. Heinrich II. erklärte,
daß er komme „als Rächer deutscher Freiheit und der gefangenen Fürsten".
Die Städte Toul und Verdun gewann er ohne Mühe, Metz dagegen nur
durch Überlistung der gut deutschen Bürgerschaft. Moritz rückte mit
seinen Truppen nach Süddeutschland und hätte den schlecht gerüsteten Kaiser
beinahe gefangen genommen. Dieser befand sich in Innsbruck, um dem
Konzil, das wieder in Trient tagte, nahe zu sein. Als er die Kunde
erhielt, daß Moritz heranrücke, entfloh er spät abends in einer Sänfte
nach Kärnten. Vor der Abreise hatte er dem Kurfürsten Johann Friedrich
seine Befreiung angekündigt. Wenige Tage nach der Flucht des Kaisers
hielt Moritz seinen Einzug in Innsbruck. Der Kurfürst von Sachsen
war jetzt Herr im Deutschen Reiche.
F. Ter Pasiauer Vertrag und der Augsburger Religionsfriede.
Auf einer Fürstenversammlung zu Passau (1552) wurden folgende Be¬
schlüsse gefaßt, die der abwesende Kaiser nach langem Sträuben bestätigte:
Philipp von Hessen soll aus der Haft entlassen und das Interim auf¬
gehoben werden. Über die Beilegung der religiösen Wirren soll der
nächste Reichstag entscheiden, bis dahin zwischen den Religionsparteien
Friede herrschen.
Der König von Frankreich wurde nicht in den Frieden eingeschlossen. Des¬
halb unternahm der Kaiser noch im Herbst des Jahres 1552 einen Feldzug
nach Elsaß-Lothringen. Aber er vermochte das feste Metz nicht ein-
1 Reichsvikariat bedeutet soviel als Stellvertretung des Kaisers, also
etwa Schutzherrschaft (Schirmvogtei). Die Souveränität, d. h. den unabhängigen
Besitz, erhielt Frankreich erst im Westfälischen Frieden (1648).