3. Friedrich Wilhelm I.
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Antriebe ein Tagebuch, und mit Erlaubnis seines Vaters bildete er aus
adeligen Knaben seines Alters eine eigene Kompanie, die er unermüdlich
ausbildete und einübte. In der Schlacht bei Malplaquet teilte er mit
den beiden großen Feldherren alle Gefahren.
Kaum hatte sein Vater die Augen geschlossen, als der neue, erst
25jährige Herrscher dem Oberhofmarschall eröffnete, daß vom Tage nach
der Bestattung an der gesamte Hofsta a t (Kammerjunker, Pagen, Schweizer¬
garde u. s. w.) zu entlassen sei. Über hundert Luxuspferde des könig¬
lichen Marstalls und außerdem viele Karossen (Prachtwagen) und Sänften
wurden verkauft. Das eben entbehrliche Prachtgerät der königlichen Schlösser
wanderte in die Münze; es sollte den Grundstock des Schatzes bilden, den
Friedrich Wilhelm anzusammeln gedachte.
B. Kriege und Erwerbungen. Trotz seiner Vorliebe für den Soldaten¬
stand war Friedrich Wilhelm so friedliebend, daß man ihn deshalb sogar ver¬
spottete. Als er zur Regierung kam, ging der spanische Erbfolgekrieg
seinem Ende entgegen; aber noch mehrere Jahre dauerte der Gordische Krieg, 1
in den auch der preußische König hineingezogen wurde.
a) Die Erwerbung des Oberquartiers Geldern. Das zwischen
Spanien und den Niederlanden geteilte Herzog tu in Geldern zerfiel in vier
Quartiere oder Viertel. Das südliche Viertel mit den Städten Roer¬
mond und Geldern hieß wegen seiner hohem Lage Oberquartier. Einen
Teil hiervon (1200 qkm mit 40 000 Einwohnern) erwarb Friedrich Wil¬
helm im Frieden zu Utrecht (S. 223). Das neue Gebiet, welches
un Westen bis über die Maas hinausreichte, verstärkte den niederrheinischen
Besitz Preußens und bildete mit Kleve und Mörs den Kern der spätern
Rheinprovinz.
h) Teilnahme am Nordischen Kriege. Die Erwerbung Stettins
und der Odermündungen.
a) Ter Kriegsblind gegen Karl XII. von Schweden. August der Starke
und Peter der Große. Als Karl XII. in einem Alter von 15 Jahren den
schwedischen Thron bestieg (reg. von 1697—1718), machten sich die benachbarten
Mächte, auf deren Kosten sich Schweden früher bereichert hatte, seine Jugend und
Unersahrenheit zu nutze. Dänemark, Polen und Rußland schlossen ein
Bündnis, um die verlorenen Gebiete an der Ostsee wiederzugewinnen (vgl. S. 182).
In Polen war kurz vorher August der Starke von Sachsen aus den Thron
gelangt, ein prachtliebender Fürst, unter dessen Regierung Dresden zum Elb-
Florenz wurde und der sächsische Hos in noch höherem Grade als der preußische
unter Friedrich I. das getreue Abbild des Versailler war. In Rußland regierte
der Zar' Peter der Große (1689—1725), der Begründer der russischen
1 Zar bedeutet soviel wie König. Diesen Titel führt der „Herrscher aller
Reußen" beim russischen Volke. In der bessern Gesellschaft heißt er Kaiser als
„Rechtsnachfolger" der oströmischen Cäsaren.