83. DaS Reh.
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3. Willst du immer weiter schweifen?
Sieh', das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Gluck ergreifen!
Denn das Glück ist immer da. (Goethe.)
83. Das Weh.
Im schönen Maimond, wenn die Singvögel im Walde
ihre schönsten Lieder singen, und das junge Gras und
Kraut am saftigsten sprießt, dann sucht das alte Reh ein
stilles, verstecktes Plätzchen ans. Dort wirft es ein oder
zwei Junge, die so klein sind wie junge Ziegenlämmchen
und gelbbraun aussehen, mit hellen Flecken und Streifen
gezeichnet.
Die Rehkälbchen genießen anfänglich nichts weiter als
Milch. Schon nach wenig Tagen folgen sie ihrer Mutter
bei den Spaziergängen im Walde. Dann werden ihre dünnen
Betuchen kräftiger und flinker, und nach wenig Wochen
suchen sie sich die zartesten Grasspitzchen heraus oder die
weichsten Blätter der Kräuter und verspeisen sie.
Jetzt wird es lebendig im Walde. An der einen Seite
schlagen die Holzhauer eine Abteilung Bäume nieder, und
auf der andern ziehen ganze Scharen Kinder durchs Ge¬
büsch und suchen Heidelbeeren, Preißelbeeren und Himbeeren.
Da ist's den Rehen dort nicht mehr behaglich; sie wandern
am Abend im Dämmerlichte aus, der Rehbock voran, die
Nicken mit den Kälbchen ihm nach hinaus ins Getreidefeld.
Dort lagert die Familie, am Tage versteckt von den hohen
Halmen; am Abend oder im Zwielicht der Morgendäm¬
merung schmausen sie die saftigen Erbsen vom Acker oder
den Hafer.
Ohne Gefahren sind aber auch die Jugendtage eines
Rehkälbchens nicht. Einer der schlimmsten Feinde ist der
Fuchs, der schlaue Räuber. Gar zu gern schleicht er sich
an die weidenden Rehe heran und stellt sich so gutmütig
und unschuldig als möglich. Ist ein junges Reh vorwitzig