1. Rudolf von Habsburg. 19
In diesem Falle indes erreichte Rudolf seinen Zweck nicht. Hindernd
trat ihm die Macht des kräftigen Grafen Peter von Savoyen entgegen, der
gegen Burgund verwandten Zielen nachging, und schon vor den Grenzen
Burgunds erhoben sich die Städte der schweizerischen Hochebene, Bern, Frei¬
burg u. a., eben damals zu drohender Selbständigkeit. Vor allem aber kam
Frankreich hemmend dazwischen. Der junge Philipp, seit 1285 König, schön
und kalt, ein Meister diplomatischer Künste, gewann die bnrgundischen Herrscher
für sich und ging auf der ganzen französisch-deutschen Grenzlinie angriffs¬
weise vor: er machte Versuche, die Schirmherrschaft über Verdun zu erhalten;
er vermittelte in den großen Kämpfen, welche wegen des Besitzes des Herzog¬
tums Limburg den Niederrhein bewegten und ihren Höhepunkt in der viel
besungenen Schlacht von Worringen (1288) fanden; er zwang Rudolf
schließlich, auf den Erwerb Burgunds zu verzichten, trotz einiger Erfolge im
Lande, ja trotz der Errichtung eines arelatensischen Landfriedens aus könig¬
licher Machtvollkommenheit (im I. 1291).
Damit war aber zugleich die Hausmachtspolitik Rudolfs im Westen
gescheitert: keinerlei landesfürstliche Gewalt des Königs trat hier fürderhin
dem Andrängen Frankreichs entgegen.
Fast allein das Verhältnis zu Burgund hat Rudolf andauernd zu aus¬
wärtiger Politik veranlaßt. Im übrigen hielt er sich daheim, fern namentlich
auch von der gefährlichen Macht des Papstes: er wußte wohl, daß ihm,
gleich seinem großen Vorfahren König Heinrich I., zunächst vor allem die
innere Festigung des geborstenen Reiches oblag.
Es war eine Aufgabe, die an sich ein ganzes Leben hätte in Anspruch
nehmen können. Denn noch immer dauerten anarchische Zustände fort, und
die wirren Massen ber partikularen Mächte im Reiche, der jederlei Herrschaft
beanspruchenden Fürsten, bes Abels, ber seine Selbstänbigkeit zu verteibigen
suchte, ber Stäbte, bie sicher in bie Zukunft sahen, bes brohenbcn finanziellen
Ruins ber alten naturalwirtschaftlichen Gewalten bes platten Lanbes gewiß
— sie würben burch keinerlei materielle ober moralische Zwangsgewalt zu¬
sammengehalten ober beruhigt; neben betn Königtum war auch bie Kirche
im ärgsten Verfall ihrer Einrichtungen.
In bett Tiefen bes Volkes aber gärte es; unter ben Mühseligen unb
Belabenen sehnte man sich zurück in bie immer noch besseren, nun im Glorien¬
schein erglänzenbett Zeiten bes letzten großen Staufers. Wie lange war es
her, baß man von seinem rätselhaften Tobe fern im Süben gehört hatte?
War er überhaupt gestorben, ber Gebannte, von ben Feinben bes Reiches
Gehaßte? Die Frage auswerfen, hieß sie verneinen. Kaum eine Generation
ging bahin, unb Kaiser Friebrich II. erftanb in ber burch bie Not gesteigerten
Einbilbungskraft seines Volkes von neuem. Unb wunberliche Züge verquickten
sich mit bent Glauben an seine Rückkehr.
Der Urkirche waren bie Kaiser leicht unter bent Zeichen bes Antichrists
erschienen; bas Anbenken Neros vor allein, bes grausamen Verfolgers ber
ersten Zeugen, lebte in ber Kirche unter bieferrt Silbe fort: als Antichrist
sollte er bereinst nneberkominett, ein Vorläufer bes taufenbjährigen Reiches.
Es war eine Auffassung, bie unter ben schwärmerischen Sekten Unteritaliens,
bereit geistiger Führer Joachim von Floris war, im 12. Jahrhnnbert, eben