262 Viertes Buck. I. Abschnitt: Bilder aus der deutschen Reformation.
wenn es sich um Erhaltung der Gewalt handle, vor Fälschungen nicht zurück¬
schrecke. So beschloß er denn, vorerst das Ganze als ein unlauteres Treiben
Ecks zu behandeln und ihn die Verantwortung dafür tragen zu lassen, eine
Auffassung der Sachlage, in welcher er auch von andern bestärkt ward.
Selbst Miltiz sprach sich gegen ihn sehr ungünstig über Eck aus, und war
erfreut darüber, daß Luther durch die Bulle sich so wenig anfechten ließ und
gutes Muts blieb.
Eck hatte in der kurzen Zeit, die er in Leipzig weilte, gleich wieder
zur Feder gegriffen und gegen Luthers Buch an den deutschen Adel ein
Schriftchen zur Verteidigung des Konstanzer Konzils ausgehen lassen. Er
hoffte, so zeigen zu können, daß Luther, der des Papstes Autorität nicht
achtete, auch dem Konzil, an das er appelliert hatte, sich nicht fügen werde.
Hierauf erwiderte Luther sogleich, noch im Oktober mit ein paar Blättern
„Von den neuen Eckschen Bullen und Lügen." Er zeigte, wie Eck ihm
abermals eine Reihe von unwahren Vorwürfen mache, sprach sich über das
Konstanzer Konzil viel schärfer, über den von jenem verurteilten Huß viel
günstiger, als zuvor, aus, und kam schließlich auch auf die Bulle zu sprechen.
Man sage, Eck habe eine Bulle von Rom mitgebracht, aber er glaube bis
jetzt noch, „es sei nichts mit irgend einer Bull", denn noch stehe ja seine
Appellation an das Konzil rechtsgültig da, noch gelte die Verweisung seiner
Sache an den Erzbischof von Trier; auch werde der Papst ja doch nicht
seinem erklärtesten Gegner über ihn Befehl thun. „Drum will ich der
Bullen Blei, Wachs, Schnur, Signatur, Klausel und alles mit Augen sehen
oder nicht ein Haar breit geben auf alles andere Geplärre." Um sich weiter
zu sichern, erneuerte er am 17. November seine Appellation an ein freies
Konzil, ließ sie drucken und bat darin den Kaiser und die ganze deutsche
Nation, „zur Rettung göttlicher Ehre und Schutz christlicher Kirche, Lehre
und Glauben, auch Erhaltung freier christlicher Konzilia" ihm und seiner
Appellation anzuhangen, des Papstes unchristlichem Vornehmen mit ihm
abzufallen, zu widerstehen und seinem gewaltigen Frevel nicht zu folgen.
Es gelte eine Entscheidung vor Gott.
Eben weil er die Sachlage so ansehen mußte, fühlte er sich gedrungen,
seine Zeitgenossen auf den Ernst ihrer Tage aufmerksam zu machen. Er
wollte das Seine thun, um die Christen vor der so drohenden Täuschung
zu bewahren. Zu dem Ende schrieb er im November lateinisch und deutsch
„Wider die Bulle des Antichrists." Ob die Bulle vom Papste selbst aus¬
gegangen sei, ließ er auch jetzt unentschieden, aber das sei ihm ganz gewiß,
daß er den Urheber derselben für den Antichristen zu halten habe, denn sie
sei eine Lästerung Gottes und Christi. Dies Urteil begründete er, indem
er einige der verworfenen Artikel aus der Schrift als christliche erwies, und
forderte Rom öffentlich zur Buße auf: „Dich, Leo X., und euch, ihr Herren
Kardinäle in Rom, ja euch alle, die ihr zu Rom etwas geltet, rede ich an
nnd sage es euch frei ins Angesicht: Wenn diese Bulle unter eurem Namen
und mit eurem Wissen ausgegangen ist, und ihr sie anerkennt, so gebrauche
auch ich meine Gewalt, kraft deren ich in der Taufe aus Gottes Erbarmen
ein Kind Gottes und Miterbe Jesu Christi geworden bin, gegründet auf
den festen Fels, den aber die Pforten der Hölle, den Himmel und Erde nicht