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c) Die Verhandlungen des Bundesrates. 
Der Bundesrat tagt in Berlin. Er wird einberufen durch den 
Kaiser. Die Berufung muß stets erfolgen, wenn der Reichstag ver¬ 
sammelt ist und ferner dann, wenn mindestens ein Drittel aller Stim¬ 
men es verlangt.Den Vorsitz führt der Reichskanzler oder dessen 
Stellvertreter; im Falle einer Verhinderung Preußens geht der Vor¬ 
sitz an Bayern über. Die Verhandlungen sind nicht öffentlich; sie sind 
durch eine Geschäftsordnung geregelt. 
Zur Vorbereitung der Beschlußfassung sind beim Bundesrat be¬ 
sondere Ausschüsse gebildet z. B. für das Landheer und die Festungen, 
für Zoll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr, für das Justiz¬ 
wesen, für die auswärtigen Angelegenheiten, in welchem Bayern den 
Vorsitz führt. Die Beschlußfassung im Bundesrat erfolgt nach ein¬ 
facher Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder. 
Bei Stimmengleichheit geben die preußischen Stimmen den Aus¬ 
schlag. Doch bestehen wichtige Ausnahmen. Jeder Antrag auf Ver¬ 
fassungsänderung gilt als abgelehnt, wenn er im Bundesrate 14 
Stimmen gegen sich hat. Es ist also gegen den Willen des Königs 
von Preußen, dem 17 Stimmen zustehen, eine Verfassungsänderung 
nicht möglich. Auch Bayern, Sachsen und Württemberg ist die Mög¬ 
lichkeit gegeben mit ihren 14 Stimmen eine Verfassungsänderung zu 
hindern, ebenso den süddeutschen Staaten, Bayern, Württemberg, 
Baden und Hessen. Auch eine Majorisiernng der Kleinstaaten durch 
die größten ist ausgeschlossen, da sie über 17 Stimmen verfügen. 
Zur Abänderung von Sonderrechten einzelner Staaten ist außerdem 
die Zustimmung des bevorrechteten Staates erforderlich.^) 
4. Die Einwirkung des Voltes aus die Reichsgesehgebnng durch 
den Neichslag. 
a) Zuständigkeit. 
Während der Bundesrat die verbündeten deutschen Regierungen 
vertritt, besteht der Reichstag aus den gewählten Vertretern des ge¬ 
samten deutschen Volkes. So hat die Einheit der Nation auch durch 
den Reichstag ihren Ausdruck gefunden. Jedes Reichsgesetz bedarf 
zu seinem Zustandekommen neben der Zustimmung des Buudesrats 
auch der des Reichstages. Dieser hat aber nicht nur über die vom 
Buudesrat eingebrachten Gesetzesentwürfe abzustimmen; vielmehr steht 
*) Tatsächlich hat der Umfang der Geschäfte dahin geführt, daß seit 1883 
der Bundesrat ständig versammelt gewesen ist; nur des Sommers unterbricht 
er seine Beratungen, ohne sich jedoch aufzulösen. 
*) Ferner steht Preußen das sogenannte Veto ld. h. Verbietungsrecht) zu 
hinsichtlich aller Veränderungen in Angelegenheiten des Militärwesens, der 
Kriegsmarine, gewisser indirekter Reichssteuern und des gesamten Zollwesens. 
Damit sind die wichtigsten Grundlagen des Reiches seinem Schutz anvertraut.
	        
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