Full text: Deutsche Fürsten- und Ländergeschichte, deutsche Reformationsgeschichte (Band 2)

7. Schicksale des Stadtschreibers Frisius bei der Zerstörung Magdeburgs. 479 
an, sagte, wir seien seine Gefangenen, und ließ uns nicht antasten. Darauf 
ging die Mutter in die Stube und sah ihre Schaube, die nahm sie, und 
weil der Soldat sagte, wir sollten Brot mit ins Lager nehmen, es sei 
draußen wenig zu bekommen, nahm sie auch noch zwei Brote mit in 
einem Korbe. 
Also gingen wir um zehn Uhr ungefähr aus dem Hause hinaus. Wir 
Kinder nahmen einander, Paar um Paar, bei den Händen und gingen auf 
des Vaters ernste Bedrohung geschwind vor den Eltern her und dem 
Soldaten nach. 
Unsere Anna, so die kleine Schwester Anna Magdalena wartete, trug 
sie auf dem Arme in ihrem Bettchen hinter uns her und gab neben unserer 
gewesenen Magd ein wenig acht auf uns Kinder, daß wir uns nicht etwa 
verspäteten oder voneinander kämen. Endlich folgten Vater und Mutter. 
Damit der Vater desto besser fortkäme, gab der Soldat ihm seine Muskete, 
die er tragen mußte. Er sah in Wahrheit einem Soldaten nicht gar un¬ 
ähnlich; denn unter dem Angesichte war er ganz schwarz von dem Schießen 
geworden, und wie er den Ofen, die Fenster und Thüren eingeschlagen, 
hatte er sich so garstig zugerichtet, hatte keinen Kragen um und ein braun 
ledern Wams und graue tuchene Hosen an und alte Stiefel. So ging er 
neben der Mutter und hat mich oftmals, wenn es an ein Gedränge kam, 
in den Gassen durchgerissen wie ein Soldat und zur Mutter gesagt: „Frau, 
gehet fort!" wie man sonst zu jemand Fremden sagen möchte. Als wir 
nun durch ein paar Gassen gegangen waren, sahen wir verschiedene Tote 
an einander liegen, mußten oft in großem Gedränge über die toten Körper 
hinwegschreiten. Unter andern sahen wir auch einen Bauer oben aus dem 
Giebel Herunterwersen, welcher mit heißem Wasser verbrannt war und ge¬ 
waltig rauchte. Ferner lag eine Magd auf der Gaffe, welche Fleisch in 
einem Handkorbe getragen und also erschossen war, und ein Hund stand dabei, 
welcher das Fleisch fraß. 
Der Soldat aber ging in ein Haus und wir ihm nach. Daselbst sagte 
er, er müsse uns Kindern etwas zu essen und zu trinken holen, denn es 
sei sehr weit in das Lager, wir könnten sonst nicht ausdauern; stieg in die 
Esse und langte Würste und Speckseiten herab, ergriff einen bunten türkischen 
Teppich, band die Speckseiten und Würste darein und trug sie also hinaus. 
Unterdessen aßen wir Kinder von dem Brote, so wir mitgenommen. Es 
waren aber etliche zwanzig kleine Kinder in dem Hause, die liefen zu 
unserer Mutter, wollten auch Brot haben, und die Mutter teilte ihnen fast 
das halbe Brot aus. Der Soldat aber lief in den Keller und brachte in 
einem Eimer Bier herauf; da tranken wir und wurden erquickt; danach 
gingen wir ein wenig weiter hinaus. 
Unterwegs begegnete ein Soldat der Mutter und riß ihr die Schaube 
von dem Leibe; ein anderer wollte die Kinderfrau, so die kleine Schwester 
Anna Magdalena trug, anpacken, aber unser Soldat nahm sich ihrer an ; 
da ließ er sie wieder gehen. Wir sahen sehr viele Tote auf den Gaffen, 
welches ein schrecklicher Anblick war. Endlich half uns der liebe Gott durch 
die Pforte, da die Kroaten hereingeritten kamen und immer neben uns nieder-
	        
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