5. Das Konzil zu Konstanz und die Hussitenkriege. 59
strebungen nach Alleinherrschaft im Lande boten, und dieser Gegensatz
war zugleich ein nationaler, wie er sich namentlich seit Karl IV. auch
zwischen dem tschechischen Landvolke und den Deutschen überhaupt austhat,
deren begünstigte Stellung die tschechischen Massen mit Neid erfüllte.
Jetzt ergriff diese Stimmung auch die akademisch gebildeten Kreise Prags.
Denn es erschien den Tschechen unleidlich, daß die Böhmen in den
Angelegenheiten der Hochschule nur über eine einzige Stimme verfügten,
die drei übrigen „Nationen" (Landsmannschaften) der Bayern, Sachsen
und Polen aber, da auch die letzteren meist deutsche Schlesier waren, als
Deutsche stets zusammenhielten und mit ihren drei Stimmen regelmäßig
durchdrangen. Gegen die Verderbnis der Kirche aber eiferten beredte
Bußprediger.
Johannes Hus. Beide Richtungen vereinigte endlich Johannes
Hns. Er war um 1360 von armen Eltern tschechischen Stammes in Hussinez
bei Prachatitz geboren, studierte seit 1382 in Prag, wurde 1393 zum Priester
geweiht, 1396 Magister, 1398 Doktor der Theologie und Universitätslehrer
und 1403 ein beliebter Prediger an der Bethlehemskapelle. Ein treuer
Sohn seines Volkes, aber auch ganz erfüllt von jener fanatischen nationalen
Unduldsamkeit, die seitdem der Fluch Böhmens gewesen ist, sittenrein, selbst¬
los, kenntnisreich, überzeugungstreu bis zur Hartnäckigkeit, war er doch kein
eigentlich schöpferischer Geist und der Tragweite seiner Lehren sich schwerlich
immer bewußt. Er hat den Tschechen eine neue, zweckmäßige Rechtschreibung
geschenkt, er hat aber auch zuerst den verhängnisvollen Satz ausgesprochen,
welchen seine Landsleute nur zu bald in blutige Wirklichkeit übertrugen: das
Brot, welches den Söhnen des Hauses gehöre, würde den Hunden gegeben;
die Söhne des Reiches sollten sich an die Tafel setzen, die Fremden demütig
die Brosamen erwarten. Religiös stand er durchaus auf den Schultern
Wiclefs, denn die enge Verbindung zwischen den Universitäten Oxford und
Prag, deren junge Dozenten (Baccalaurei) ihren Vorlesungen die Hefte von
Pariser und Oxforder Professoren zu gründe legen mußten, verschaffte Wiclefs
Lehren in Böhmen schon in den letzten beiden Jahrzehnten des 14. Jahr¬
hunderts leicht Eingang, und sie ergriffen auch Hus, zumal ein Freund
desselben aus alttschechischem Adel Hieronymus 1401/03 in Oxford studiert
hatte. Namentlich Wiclefs Auffassung von der Kirche eignete sich Hus durch¬
aus an, und welchen Eindruck mußte es in diesem gährenden Böhmen machen,
wenn er lehrte, die Güter der Kirche, welche der Gemeinde gehörten, seien
besonders zur Armenpflege zu verwenden, ein weltliches oder geistliches Amt
dürfe der nicht bekleiden, der einer Todsünde sich schuldig gemacht habe,
und nur der „Gerechte" habe ein Recht auf Besitz. Jede energische Regierung
mußte den praktischen Folgerungen dieser Anschauungen entgegentreten; aber
Wenzel schwankte beständig zwischen rohen Wutausbrüchen und stumpfer
Trägheit hin und her; zudem besaß der tschechische Adel in der „Landes¬
regierung" ein vom König fast unabhängiges Organ.
Der Auszug der Deutschen aus Prag. So ging das Unheil
seinen Gang; immer schärfer wurde die Spannung zwischen den Deutschen
und Tschechen der Universität, immer leidenschaftlicher der Ton der Er¬
örterungen. Die Hochschule verwarf unter dem Einflüsse der Deutschen die