§ 12. Kunst und Wissenschaft im 18. Jahrhundert. 459
feiner Werke. Es weckte den Sinn für das alte Ritter-
wesen, und bald wimmelte es von Ritterromanen, von
denen einer toller nnd schlechter war als der andere.
Ein Heros andrer Art als Klopstock, ein würdigerer
nnd edlerer Vertreter der deutschen Aufklärung als Wie¬
land, ist Gotthold Ephraim Leffing, geb. 1729 zu Ka-
menz in der Lausitz, f 1781 zu Braunfchweig. Er ftu-
dirte in Leipzig, der Theologie bald Valet sagend gab er
sich der Philologie und den schönen Wissenschaften hin.
1767 wurde er Dramaturg (Schaufpieldichter) zu Ham¬
burg, 1770 Bibliothekar zu Wolfenbüttel. An natürlichem
Verstand, an Klarheit, Schärfe und Fülle desselben, über¬
traf er alle feine Zeitgenossen; dazu wohnte in ihm ein
männlicher, starker Geist, der kühn durch alles durchbrach;
auch war er mit dem feinsten Kunstsinn begabt. Den
französischen Geschmack bekämpfte auch er auf's kräftigste;
aber Deutfchthum lag ihm ferner als das klassische Alter¬
thum, und das Christenthum erkannte er nicht. Wiewohl
er nach der Wahrheit suchte, fand er sie doch nicht, weil
er einfältig zu glauben verschmähte. — Er wirkte als
Kunstkritiker mächtig zur Läuterung des Geschmacks.
Unter feinen eigenen Produktionen find außer feinem hoch¬
geschätzten „Laokoon oder die Grenzen der Malerei und
Poesie" folgende drei die namhaftesten und, künstlerisch
Betrachtet, wahre Meisterwerke: 1) Minna von Barnhelm,
ein Lustspiel. Da lebt alles und drängt auf das Ziel los.
2) Emilia Galotti, ein Trauerspiel. Da wirkt alles gleich¬
mäßig und herrlich zusammen. 3) Nathan der Weife, ein
Schauspiel, dem die Fabel von den drei Ringen zu Grunde
liegt, unter denen man den ächten nicht mehr erkennen
kann. So verhält sich's, meint Lefsings weiser Jude Na¬
than, mit den drei Hauptreligionen, dem Judenthum,
Christenthum und Islam. Demnach sind sie an Werth
einander gleichzuachten, umsomehr da es überhaupt keine
von Oben her geoffenbarte Religion gibt. Es war das
des Verfassers eigne Meinung. Armer Mensch! Lesfing