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und nirgends einen leitenden, schöpferischen Gedanken entwickelt, überall nur
für das Gesetz des Stillstands, der Trägheit gewirkt und sich zuletzt so ver¬
haßt gemacht, daß im Jahr 1848 ein „März-Minister" in Süddeutschland
unter allgemeinem Beifall ausrufen konnte: „Die ganze Schmach der letzten
Jahrzehnte fasse ich in dem Namen „Metternich" zusammen." Die
Folge des Metternichschen Polizeisystems war, daß die Völker Europas
aufs neue von den gewaltigsten Erschütterungen durchzuckt wurden.
IV. Das Jahr 1848:
Revolution, Frankfurter Nationalversammlung, Franzosenfeiertag.
Vorbemerkung: Die Revolution von 1789—1795 — so schrecklich
sie auch war — beseitigte doch verschiedene Mißstände in Frankreich, so z. B. die
Vorrechte des Adels und der Geistlichkeit und die Leibeigenschaft der Bauern.
Die Steuern wurden gerechter verteilt, die höchsten Militärstellen jedem
Bürger zugänglich gemacht, die Schulen neu gestaltet und persönliche Glaubens¬
und Gewissensfreiheit zugesichert. Dagegen wurde jede freie geistige Be¬
wegung durch Zensur und Polizei unterdrückt und das Wahlrecht
vom Vermögensstand abhängig gemacht. Unter Ludwig XVIII (1815—1824)
war die Wählbarkeit in die zweite Kammer an das Alter von 40 Jahren
und an eine direkte Steuer von 1000 Fr. gebunden, das aktive Wahlrecht
an eine solche von 300 Fr. Dadurch erhielten die großen Grundbesitzer einen
überwiegenden Einfluß auf die Wahlen. Die Klasse der unbemittelten Bürger
und der Arbeiter war vom Wahlrecht ausgeschlossen. Es steigerte sich daher
die Unzufriedenheit der unteren Volksschichten mehr und mehr. Als Karl X
(1824—1830) die Veröffentlichung einer jeden Druckschrift von der beson¬
deren Erlaubnis der Behörde abhängig machte (Zensur), das Wahlgesetz und
die Rechte der Kammer willkürlich beschränkte, da bewaffnete sich das Volk
und führte im Jahre 1830 die Stürme der Julirevolution herbei.
Karl X wurde abgesetzt und eine neue Verfassung angeordnet. Durch die¬
selbe wurde zwar das Königtum in die bürgerliche Sphäre herabgedrückt; aber
das Wahlrecht war immer noch an den Vermögensstand gebunden, und die
politische Gewalt ruhte allein in der Hand des wohlhabenden Bürgerstandes.
1. Die Revolution in Frankreich.
Das Jahr 1848 stand unter dem Zeichen höchster Erregung der
Gemüter. Die Unruhen nahmen ihren Anfang in Paris, wo im Jahr
1830 Louis Philipp zum König der Franzosen ausgerufen worden war.
Er war aber nicht König von Gottes, sondern von des Volkes Gnaden.
Allgemein nannte man ihn den „Bürgerkönig", obwohl seine Regierung
ein Mittelding zwischen Königtum und Republik war. Eine Zeit lang